■ Streßfrei getötete Schweine als Verkaufsargument: Dosenfleisch aus der Kleingruppe
Paris/Kopenhagen (taz) – Mit ihrem Einspruch gegen das Schlachten von drei Schweinen auf offener Straße bei einem Dorffest ist Frankreichs prominenteste Tierschützerin Brigitte Bardot (60) gerade gescheitert. Die Ex-Schauspielerin bat beim zuständigen Präfekten vergebens darum, das „Freiluft-Massaker“ am Samstag im Dorf Besse im Zentralmassiv zu verbieten. Auch mit ihrer Warnung, daß dabei „alle hygienischen Vorschriften mißachtet“ würden, hatte sie keinen Erfolg. Die Behörde verwies darauf, daß die Schweine nach einer Betäubung fachgerecht von Metzgern getötet würden. Diese wollen mit der Schlachtung für den lokalen Einzelhandel werben.
Auch in Dänemark wird mit Schlachtungen geworben – aber etwas anders. Dort heißt es für Schweine jetzt „Schöner sterben“. Siebenjähriger Forschungsarbeit hat es bedurft, wissenschaftlich zu untermauern, was auf jedem Bauernhof früher zur Selbstverständlichkeit gehörte: „Tierethisches Sterben“ nennt Patricia Barton Gade vom Schlachtforschungsinstitut in Roskilde ihren Thesenkatalog, in dem die Ergebnisse ihrer Forschungen in Sachen Schweinewohlfahrt in Grundsatzrichtlinien formuliert sind. Erster Grundsatz: nicht zuviel Masse, kein Gedränge; nicht mehr im angstmachenden Gewimmel unter sechzig bis achtzig todgeweihten SchicksalsgenossInnen soll in Zukunft die letzte Lkw-Fahrt zur Schlachthaustür erfolgen, sondern in Kleingruppen von höchstens fünfzehn Tieren, denen man genügend Ruhe gönnen will. Nach mindestens einstündiger Ruhepause im Schlachthof wird für die Tiere ein Slalomgang geöffnet, wo eine videogesteuerte Apparatur die Tiere in tötungsgerechte Kleinstgruppen von jeweils fünf Schweinen trennt, die nach erneuter Ruhepause gemeinsam und streßfrei durch Gas betäubt werden. In Kleinstgruppen von jeweils fünf Schweinen sterbe es sich schöner als allein.
Tierethisches Töten funktioniert in der Praxis bereits seit einem Jahr in einer Versuchsanlage bei „Danish Crown“ in Grindsted, und Patricia Barton Gade ist voll des Lobes über das dortige Sterben: „Erste Versuchsreihen haben uns kein Zeichen einer streßbedingten Hormonausschüttung gezeigt, keine unnormalen Pulsabweichungen, nichts Auffälliges.“ Was zum einen der Qualität des Fleisches zugute komme – streßfreies Schlachtvieh schmecke ganz einfach besser –, aber eben auch mit Ethik zu tun habe.
Der friedvolle Weg zum Schafott als neues Verkaufsargument hat jedenfalls die Schlachtereibetreiber schon restlos überzeugt. Der dänische Verband der Schlachtbetriebe hat allen Mitgliedsfirmen eine Übernahme der neuen tierethischen Regeln, einen entsprechenden Umbau der Schlachtanlagen und Änderung der Routinen empfohlen. Informationschef Niels Jörgensen von Danske Slagterier: „Wir haben keinen Zweifel, daß Tierethik als Verkaufsargument bei den Konsumenten ankommt. Gerade die jüngsten Ereignisse in Großbritannien zeigen, daß es in einigen europäischen Ländern jedenfalls schon Märkte hierfür gibt.“
Einige, nicht alle: In Japan zum Beispiel kümmere sich niemand darum, wie Tiere gehalten und geschlachtet worden seien. Und auch in Italien und Frankreich nicht besonders.
„Was schon ein ökonomisches Dilemma bedeutet“, so Niels Jörgensen, „schließlich müssen die Firmen ja einiges in die neuen Anlagen investieren.“ Nett will man schon sein zum lieben Vieh, aber spätestens beim Geldbeutel verläuft die Grenze: In klingender Münze auszahlen muß sich die Ethik dann doch schon. Reinhard Wolff
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