Strengeres Waffenrecht wahrscheinlich: Schützen unter Beschuss
Ein totales Verbot von privaten Schusswaffen, biometrische Sicherungssysteme oder die Beschränkung auf Kleinkaliber. Politiker fordern Verschärfungen des Waffenrechts.
Eine Verschärfung des Waffenrechts wird immer wahrscheinlicher. Inzwischen schließen selbst bisherige Gegner wie der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) strengere Gesetze nicht mehr aus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit biometrischen Sicherungssystemen den Missbrauch von Waffen erschweren. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) fordert ein Verbot von großkalibrigen Waffen für Sportschützen. Noch weiter gehen die Grünen. Parteichefin Claudia Roth forderte ein Verbot aller scharfer Waffen für SportschützInnen und WaffensammlerInnen, also auch von kleinkalibrigen.
Am Dienstag hatte ein 60-Jähriger im Landshuter Landgericht seine Schwägerin und sich selbst getötet. Die Tat nahm er mit einer Pistole vor, die er als Sportschütze legal besaß. Auch der Amoklauf in Winnenden wurde mit einer Waffe aus dem privaten Arsenal vom Vater des Täters begangen.
Bundesinnenminister Schäuble will darum nun Waffenschränke mit Fingerabdruck-Schlössern sichern, sodass "nur noch Berechtigte an ihre Waffe herankommen". Allerdings war die in Winnenden verwendete Waffe gar nicht im Waffenschrank gelagert. Ein Sicherungsmechanismus an der Waffe selbst könnte hier bessere Wirkung haben, meint Schäuble. Es gebe "interessante technische Möglichkeiten", mit denen man Kurzwaffen so sichern könne, dass nur noch der Berechtigte selbst mit ihnen schießen könne. Doch auch hieran gibt es Zweifel: Biometrische Systeme seien keine Lösung, weil sie mit gefälschten Fingerabdrücken überlistet oder die Mechanik wie bei einem ein Fahrradschloss geknackt werden könne, sagte der Herausgeber des Waffenmagazins Visier, David Schiller. Auch starke Magneten könnten die Elektronik durcheinanderbringen.
Bremens Innensenator Mäurer will bestimmte Waffen ganz aus den Schützenhäusern verbannen. "Im Schießsport werden zunehmend großkalibrige Waffen verwendet, die in Kaliber, Munitionsstärke und Durchschlagskraft den bei den Polizeien des Bundes und der Länder sowie bei der Bundeswehr verwandten Waffen entsprechen oder diese sogar übertreffen", heißt es in einem Positionspapier des Senators. Das will der Politiker womöglich mit einer Kaliberbegrenzung unterbinden. "Grundsätzlich sollte gelten, das Schusswaffen, die bei der Polizei oder beim Militär eingesetzt werden, im Schießsport nichts zu suchen haben", heißt es dazu. Mäurer ist derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz.
Zweifel an der Notwendigkeit von großkalibrigen Waffen gibt es auch in der CDU. Der Unions-Innenexperte Reinhard Grindel sagte zur taz, man müsse mit den Schützenverbänden diskutieren, ob sie das Schießen mit Großkaliberwaffen unterlassen würden. "Es gibt viele Stimmen, die nichts dagegen einzuwenden hätten", sagte er. Ein Verbot von kleinkalibrigen Waffen hält Grindel nicht für notwendig.
Grünen-Chefin Claudia Roth allerdings schon. "Ein Verbot nur von großkalibrigen Waffen im Schützensport ist ein inkonsequenter Schritt", sagte sie der taz. "Sport sollte grundsätzlich nicht mit tödlichen Schusswaffen betrieben werden, sondern zum Beispiel mit Luftgewehren."
Tatsächlich können auch Schüsse aus kleinkalibrigen Waffen tödliche Wirkungen haben, sagte der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Uni Rostock, Andreas Büttner: "Das hängt davon ab, wo hingeschossen wird." Grundsätzlich könnten kleinkalibrige Waffen genauso tödlich sein wie großkalibrige.
Sogar Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der bislang gegen Gesetzesänderungen argumentiert hatte, befürwortet nun eine leichte Verschärfung des Waffenrechts. Der Kauf von Gewehren und Pistolen müsse "strikter als bisher am Bedürfnisprinzip ausgerichtet werden", antwortete Schönbohm auf eine parlamentarische Anfrage. Größere Waffenbestände in Privathand seien nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Bislang dürfen Schützen auch Waffen kaufen, die sie im Schützenverein gar nicht nutzen können.
Die Innenminister treffen sich Anfang Juni, um über die geplanten Änderungen zu diskutieren. "Sollten wir dafür Gesetze ändern müssen, werden wir das noch in dieser Wahlperiode umsetzen", sagte Bundesinnenminister Schäuble.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“