piwik no script img

Streitgespräch zur BeschneidungTrauma oder Recht auf Identität?

Sergey Lagodinsky, Jude aus der Ex-Sowjetunion, und Raju Sharma, Konfessionsloser mit indisch-deutschem Hintergrund, diskutieren über Beschneidung.

Beschneidung – vergleichbar mit Ohrfeigen? Ein beleidigender Vergleich, meint Sergey Lagodinsky. Bild: dapd
Interview von H. Oestreich und D. Bax

taz: Herr Sharma, der Bundestag will Beschneidungen aus religiösen Gründen erlauben. Was spricht dagegen?

Raju Sharma: Es gibt eine klare gesetzliche Regelung: das Verbot der Körperverletzung. Und danach hat auch das Kölner Gericht entschieden.

Aber die Ärzte haben nun Angst, sich strafbar zu machen. Besteht da nicht Handlungsbedarf?

Sharma: Die Angst hätten sie auch schon vorher haben können. Ich rechne es dem Kölner Landgericht hoch an, dass es den Mut gehabt hat, diese Problematik offenzulegen.

Herr Lagodinsky, warum soll nicht jeder selbst entscheiden, ob er sich beschneiden lassen will – zum Beispiel im Alter von 14 Jahren, wenn man religionsmündig wird?

Sergey Lagodinsky: Weil es in den Religionsgemeinschaften gewisse Rituale und Bräuche gibt, die für diese Gemeinschaft konstituerend sind. Alle jüdischen Gruppen – die Orthodoxen, die Konservativen, die Liberalen, die Progressiven, die schwulen Rabbiner und die Rabbinerinnen – sind sich einig, dass die Beschneidung am achten Tage ein grundlegendes Prinzip dieser Religion ist. Auch für säkulare Juden wie mich ist es identitätsstiftend: ein Zeichen, dass wir eine jahrtausendelange Geschichte der Verfolgung überlebt haben.

Herr Sharma, warum soll sich der Staat in diese Frage einmischen?

Sharma: Weil der deutsche Staat eine Verpflichtung hat, seine Bürgerinnen und Bürger vor Körperverletzungen zu schützen. Wie soll ich begründen, warum ich kleine Kinder vor Körperverletzungen schütze – und die Kinder von Juden und Muslimen nicht? Ich kann doch nicht sagen, bei euch guck ich nicht hin.

Es gibt keine Bewegung von Menschen, die gegen ihre Beschneidung protestieren. Ist es nicht paternalistisch, sie trotzdem zum Opfer zu erklären?

Sharma: Es melden sich durchaus Menschen zu Wort, die sich gegen diese Tradition wehren. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel. Dort gibt es schon lange eine zugegebenermaßen kleine Bewegung von Eltern, die sich dagegen wendet.

Die Streitenden

SERGEY LAGODINSKY (36) ist Doktor der Rechtswissenschaften und Publizist in Berlin. Seine Familie wanderte 1993 von Astrachan nach Deutschland aus. Öffentlich setzte er sich auch für die Rechte der Muslime ein. In der SPD gründete er einen jüdischen Arbeitskreis. Weil die Partei im Jahr 2011 den ehemaligen Bundesbanker Thilo Sarrazin wegen seiner rassistischen Äußerungen in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ nicht ausschloss, verließ Lagodinsky die Partei und trat den Grünen bei.

RAJU SHARMA (48) ist Rechtsanwalt und religions- politischer Sprecher der Linkspartei im Deutschen Bundestag. Der Sohn einer protestantischen Deutschen und eines hinduistischen Inders ist selbst konfessionslos, feiert aber gern alle Familienfeiern mit. Er engagiert sich seit langem in der Friedensbewegung und in sozialistischen Gruppen. Von 1992 bis 2005 war er Mitglied der SPD. 2005 trat er „nach einem längeren Entfremdungsprozess, der mit der Agenda 2010 begann“, aus und wechselte zur Linkspartei. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Lagodinsky: Es ist eine Sache, innerhalb der Gemeinschaft darüber zu reden, ob dieses Ritual noch zeitgemäß ist. Aus meiner Sicht ist es notwendig, Eltern, die sich gegen eine Beschneidung entscheiden, zu respektieren, ja in ihrer Entscheidungsfreiheit zu unterstützen. Eine ganz andere Qualität hat es, wenn eine Mehrheit von außen einer Minderheit sagt, wir kriminalisieren euch und eure Rituale.

Sharma: Man kann dem Staat aber doch nicht sagen: Dann guck halt weg.

Lagodinsky: Der Staat hat doch jahrelang weggeguckt und keiner hat sich beschwert. Nicht nur das: Die meisten Verfassungsrechtler sagen, im Urteil des Landgerichts Köln wurden Grundrechte nicht richtig gegeneinander abgewogen. Ich bin auch der Meinung, dass bei der Abwägung schlampig gearbeitet wurde.

Herr Sharma, nehmen Sie die Religionsfreiheit nicht ernst?

Sharma: Es geht darum, die Religionsfreiheit der Eltern mit der der Kinder abzuwägen. Das Kind wird ja bei der Beschneidung nicht gefragt. Dazu hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit natürlich ein enormes Gewicht. Durch die Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention hat auch Deutschland eine Verpflichtung, das Kind als Rechtssubjekt zu begreifen – und nicht nur als Erziehungsobjekt seiner Eltern.

Lagodinsky: Ist ein Kind ein unbeschriebenes Blatt, das mit 18 Jahren in unsere Gesellschaft hinein tritt, ohne vorher auf irgendeine Weise von den Eltern markiert worden zu sein, ob körperlich oder psychisch? Es gibt psychische Schäden, die viel gravierendere Konsequenzen haben als eine Beschneidung.

Sharma: Ich will die Kinder doch nicht davor schützen, von ihren Eltern religiös erzogen zu werden. Mein Vater ist Hindu, meine Mutter ist Protestantin, wir haben die Feste beider Religionen gefeiert. Es ist aber ein großer Unterschied, ob ich an der Religion meiner Eltern teilhabe oder ob ich Gewalt erfahre. Deshalb ist ja auch die Ohrfeige als Erziehungsmethode verboten. Manche Psychologen sagen: Die Beschneidung ist immer ein Trauma, es können seelische Folgen bleiben.

Lagodinsky: Aber wir müssen unterscheiden, in welchem Alter beschnitten wird. Psychologen müssen mir nachweisen, dass jemand, der mit acht Tagen beschnitten wird, davon ein Trauma mitnimmt. Ich bin gespannt, wie man das empirisch nachweisen will. Vielleicht sollte man die Altersgrenze für die Zulässigkeit nach unten, nicht nach oben verschieben.

Da wurden zum Beispiel die Stresshormone des Kindes gemessen. Sie steigen rapide an – und das auch später wieder, etwa bei einer Impfung, und zwar stärker als bei unbeschnittenen Kindern.

Lagodinsky: Ich kann Ihnen Studien vorlegen, wonach bei Hausgeburten das Sterberisiko für Kinder nicht unerheblich steigt. Kein Politiker nimmt die zum Anlass, über ein Verbot nachzudenken. Im Gegenteil: Ihre Partei, Herr Sharma, unterstützt Hausgeburten.

DEMONSTRATION

Mehrere hundert Demonstranten haben am Sonntag in Berlin Rechtssicherheit für die religiöse Beschneidung von Jungen gefordert. „Das Ja zur Beschneidung muss in ein Gesetz gegossen werden“, verlangte Lala Süßkind, die ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin. An der Demonstration nahmen laut Polizei rund 300 Menschen teil - hauptsächlich Juden, aber auch Muslime und Christen. Die Kundgebung auf dem Bebelplatz stand unter dem Motto „Für Religionsfreiheit, gegen Kriminalisierung und Bevormundung“. (dapd)

Sharma: Ich habe zwei Kinder, das waren beides Hausgeburten.

Lagodinsky: Prima. Ich bin auch ein Anhänger von Hausgeburten. Es gibt aber Studien, in denen klar nachgewiesen wird, dass die Sterblichkeitsrate von Kindern bei Hausgeburten höher ist. Wollen wir Hausgeburten deswegen kriminalisieren? Ich würde sagen: Problematisieren ja, kriminalisieren nein.

Sharma: Aber sehen Sie sich die Berichte der Mütter an: Das eigene Kind, das man neun Monate in sich trägt und vor allem schützt, wird einem wildfremden Menschen ausgesetzt. Der nimmt ein scharfes Messer und schneidet da an einer sehr empfindlichen Stelle etwas weg. Wie viele Mütter machen sich hinterher Vorwürfe. Ich möchte den sehen, dessen Herz da nicht blutet.

Lagodinsky: Ich war auch schon bei einigen Beschneidungszeremonien. Es kommt ganz darauf an, wie man sie vollzieht. Darüber kann man reden. Ich habe auch schon mit einigen Rabbinerinnen und Rabbinern darüber gesprochen, für sie ist klar, dass eine örtliche Betäubung nach jüdischem Gesetz in Ordnung wäre. Sie wird auch jetzt schon eingesetzt.

Sharma: Aber wir reden hier von acht Tage alten Säuglingen. Die Bundestagsresolution spricht von „unnötigen Schmerzen“, die vermieden werden sollen. Wie wollen Sie ein acht Tage altes Kind ohne Risiko so betäuben, dass es keine Schmerzen hat? Haben Sie schon diese Videos im Internet gesehen?

Lagodinsky: Dann sind wir wieder bei den Hausgeburten. Ein Risiko gibt es immer. Und unappetitlich würden auch die Videos von OPs zur ästhetisch bedingten Richtung von Kinderohren aussehen.

Dass das Kind bei der Beschneidung Schmerz empfindet, ist das nicht eher ein Faktum als ein Risiko?

Lagodinsky: Bei Kleinkindern verheilt die Wunde, nach allem, was ich gehört habe, sehr schnell. Nach Beschneidungszeremonien, die ich erlebt habe, nahmen die Mütter das Kind ohne Probleme mit und haben es gestillt. Das Kind ist ja noch sehr klein, entsprechend klein ist die Wunde. Natürlich können Komplikationen auftreten. Aber das gilt für andere Operationen ja auch. In vielen Ländern der Welt wird beschnitten.

Besteht nicht in Deutschland die Gefahr, dass das, was die Mehrheit hierzulande als gesellschaftlich „normal“ empfindet, verabsolutiert wird?

Sharma: Nein. Wofür der Staat sorgen sollte, ist, dass die allgemeinen Spielregeln von allen eingehalten werden. Die Spielregel ist, dass man niemandem Schaden zufügen soll.

Aber wer entscheidet, dass eine Beschneidung einen Schaden darstellt? Die UNO empfiehlt ja sogar Beschneidungen als Schutz gegen Aids.

Sharma: Dafür muss man keine Säuglinge beschneiden. Man kann warten, bis jemand 14 ist.

Warum soll ausgerechnet Deutschland das erste Land sein, das eine uralte jüdische Tradition verbietet?

Sharma: Deutschland ist nicht das erste Land. Schweden hat eine gesetzliche Regelung, die Niederlande diskutieren. In Norwegen hat die Menschenrechtsbeauftragte vorgeschlagen, die Beschneidung zunächst nur als symbolischen Akt zu vollziehen. Wenn die Jungs dann religionsmündig sind, können sie selbst entscheiden, ob sie sich auch körperlich beschneiden lassen.

Aber würde einem Verbot nicht ein Beschneidungstourismus ins Ausland folgen?

Sharma: Wenn es wirklich jüdische Familien gibt, denen die Beschneidung so wichtig ist, dann gehen sie vielleicht ins Ausland. Sie fliegen dann etwa nach Israel und gehen dort in eine Beschneidungsklinik. Da wird der Eingriff mindestens so fachgerecht gemacht wie in Deutschland. Aber nach dieser Logik dürfte man in Deutschland überhaupt keine Gesetze mehr machen, weil es immer Menschen geben wird, die sie umgehen. Jetzt haben wir die Chance, dass die Familien zum Arzt gehen und der sie medizinisch aufklärt. Dann würden sie vielleicht zum Rabbi gehen und fragen: Gibt es nicht eine Alternative?

Lagodinsky: Was haben Sie für ein Bild von jüdischen Menschen in Deutschland? Das sind keine verstockten Orthodoxen, denen die deutschen Ärzte erst mal die Zivilisation beibringen müssen. Viele der Eltern sind selbst Ärzte. Plötzlich hören wir, dass wir uns hier integrieren müssen: Eine Gemeinschaft, die in diesem Land schon sehr viel länger als das Grundgesetz existiert – mit einer traurigen Pause. Diese Diskussion wird paternalistisch geführt.

Eine Beschneidung ist ja auch eine Art Drohung: Ich kann dir weh tun, wenn du mir nicht folgst. Brauchen jüdische Gemeinden das noch im Jahr 2012?

Lagodinsky: Sie müssen mal überlegen, aus welchem religiösen Kontext dieses Argumente kommen. Durch den Mund vieler säkularer Kritiker ertönt urchristliche Kritik am Judentum.

Hätten Sie einen Sohn, würden Sie ihn beschneiden lassen?

Lagodinsky: Ich habe keinen Sohn. Aber wenn ich einen hätte, dann würde ich diese Argumente abwägen und sehen, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Wir haben nämlich Gewissensfreiheit. Ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen, dort war die Beschneidung unter Juden nicht gern gesehen. Aber gerade weil dieser Brauch in der Sowjetunion als archaisch abgetan wurde, halten wir daran fest, damit wir unsere Identität nicht verlieren. Wir sind bewusst nach Deutschland gekommen, weil wir hier endlich wieder als Juden leben wollten.

Man muss aber nicht beschnitten sein, um Jude zu sein, oder?

Lagodinsky: Richtig. Es reicht, wenn die Mutter jüdischstämmig ist. Aber das Judentum ist nicht nur eine Religion des Bekenntnisses. Es ist eine Religion des Handelns. Es gibt Gesetze, die man befolgt. Die kann man nicht von außen plötzlich kriminalisieren.

Soll man sich von außen also lieber gar keine Meinung bilden, weil die Debatte intern ist?

Lagodinsky: Nein. Aber man soll auf eine einladende und konstruktive Weise diskutieren. Die jetzige Diskussion ist nicht einladend.

Sharma: Es ist ein logischer Widerspruch, wenn man sagt: Jude ist man auch, wenn man nicht beschnitten ist. Und andererseits sagt, die Beschneidung ist konstitutiv für das Judentum. Andere schädliche traditionelle Praktiken werden auch verboten: Wir verbieten auch die Peitschenhiebe, die es laut Koran für vorehelichen Sex geben sollte.

Lagodinsky: Sie können doch eine Beschneidung nicht mit Peitschenhieben vergleichen. Ebenso wenig wie man männliche Beschneidung mit der weiblichen Genitalverstümmelung vergleichen kann.

Sharma: Auch die weibliche Genitalverstümmelung gibt es in einer sogenannten milden Form. Das ist vergleichbar. Und die will ich auch nicht erlaubt sehen.

Lagodinsky: Aber ich ohrfeige nicht meinen Sohn, um ihm zu zeigen, dass er Teil des Judentums ist. Die Beschneidung hat einen ganz anderen Sinn! Das ist doch kein Erniedrigungsritual.

Sharma: Generationen von Eltern wollten ihre Kinder mit Ohrfeigen nicht erniedrigen, sondern meinten, dass das Teil einer guten Erziehung sei.

Lagodinsky: Es geht aber darum, den Kindern wehzutun. Bei der Beschneidung geht es darum nicht. Das ist ein beleidigender Vergleich. Man muss die Folgen berücksichtigen, den Zweck und den Konsens innerhalb der Gemeinschaften.

Sharma: Genau. Und die Folge der Beschneidung ist ein körperlicher Schaden. Da ist die Grenze für den Staat. Das kann er nicht dulden.

Lagodinsky: Das ist eine unauflösbare Spannung: Sie sagen, das ist nicht akzeptabel, ich sage, es ist hinnehmbar. Wie lösen wir das auf, ohne dass ich im Gefängnis lande? Indem wir die Spannung akzeptieren und eine Diskussion innerhalb der Gemeinschaften, nicht selbstgerecht von außen, führen. Ich bin nachdenklich geworden, andere sind nachdenklich geworden. Das ist ein guter Weg.

Herr Sharma, Sie nehmen mit dem Wunsch nach einem Verbot in Kauf, dass sich viele Juden und Muslime in Deutschland diskriminiert fühlen.

Sharma: Der Staat schafft dauernd schädliche Praktiken ab. Körperliche Züchtigungen sind auch erst seit kurzem verboten.

Lagodinsky: Warum werfen Sie sich gerade auf die Minderheitsreligionen? Warum schreiben Sie der katholischen Kirche nicht vor, dass sie Frauen zu Priesterinnen machen muss? Da werden auch die Grundrechte der Frauen verletzt. Frauenrechte sind Ihnen wohl weniger wert als Kinderrechte.

Sharma: Ich lege eine Priorität darauf, dass schutzlose Menschen nicht körperlich verletzt werden.

Beschnittene Männer kritisieren die Beschneidung meist gar nicht. Das wären doch die ersten, die sich melden müssten, oder?

Sharma: Sie haben ja auch keine Vergleichsmöglichkeit, wie es unbeschnitten wäre.

Lagodinsky: Es gibt Männer, die im Internet angeben, sehr unter ihrer Beschneidung zu leiden. Was weiß ich, was die noch für Probleme haben? Es gibt eben keine eindeutigen Antworten.

In welche Richtung sollte sich die Gesetzeslage verändern?

Lagodinsky: Wenn man die neue religiöse Vielfalt in diesem Land betrachtet, wäre die Frage, ob man die Religionsfreiheit stärkt. Auch das elterliche Sorgerecht sollte berücksichtigen: Kinder sind eben nicht nur Teil einer Gesellschaft, sondern sind auch Teil einer religiösen oder kulturellen Gemeinschaft.

Damit Beschneidungen möglich sind? Dann müsste das Kinderrecht auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten.

Lagodinsky: Ja, genau darüber muss man reden: Ob nicht das kindliche Recht auf eine Identität genauso stark wiegt wie das Recht, den Eingriff der Beschneidung abzuwehren.

Der Ethikrat hat vorgeschlagen, Beschneidungen aus religiösen Gründen an Bedingungen wie ärztliche Aufklärung und lokale Betäubung zu knüpfen. Wäre das ein Kompromiss?

Lagodinsky: Das entspricht einer Lösung, wie ich sie befürworte. Wichtig wäre darüber hinaus, die Frage der gemeinsamen Einwilligung beider Eltern des betroffenen Kindes zu regeln.

Sharma: Das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit bleibt damit weiter unbeachtet. Meine These ist: Das bekommt man logisch nicht hin. Dann kommt die Regelung vor das Verfassungsgericht. Damit haben wir aber so viel Zeit gewonnen, dass wir inzwischen eine sozial akzeptable Lösung für das Thema gefunden haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • J
    Joachim2

    Denkbar wäre, die rituelle Beschneidung zu ersetzen durch eine symbolische Beschneidung mit stumpfem Messer.

  • C
    Ceres

    @mehrdad:

     

    Ihre Nazi Andeutungen sind eine Frechheit sondergleichen aber Gratulation sie haben damit das Ende der Diskussion erreicht.

     

    Die Frage eines Beschneidungsverbot betrifft sowohl Muslime als auch Juden. Wie sie hier ,,erstaunlich oft Juden im vordergrund'' sehen, erschließt sich mir nicht und wird auch an keiner Stelle von ihnen belegt.

  • M
    mehrdad

    in einem fall richten sich ermittlungen gegen einen muslimischen beschneider. das habe ich übersehen. dennoch stehen bei diese debatte erstaunlich oft juden im vordergrund.

     

    bedenkt man die tatsache, dass es ca. 40x mehr muslime als juden in deutschland gibt, so ist das doch erstaunlich.

     

    rein objektiv können muslime ohne probleme mit eine betäubung oder ausreise mit ihren 5+ jahre alten jungs leben. bei ihnen wird die beschneidung mit 8 tagen nicht vorgeschrieben.

     

    für die juden wäre dies jedoch eine katastrophe. man muss krank sein um für einen 12 sekunden eingriff einem 8 tägigen baby eine narkosespritze zu fordern.

     

    sollte deutschland die beschneidung mit 8 tagen verbieten, so wird das judentum in deutschland aufhören zu existieren. juden, die kinder wollen, werden mehrheitlich aus deutschland flüchten und wir werden hier sterbende jüdische gemeinden bekommen, wie in der islamischen ummah.

     

    die kaltherzige und logische perversität der beschneidungsgegner verlangt ja tatsächlich von juden, entweder ihre religion aufzugeben, oder vor der geburt auszureisen und dann wieder nach deutschland zu kommen. ein stress, den sich die wenigsten familien antun werden.

     

    selbst die scheiss nazis waren nicht so dreist, den juden die beschneidung zu verbieten.

     

    die luft für juden in deutschland wird rau, wenn sie ihre wichtigste religiöse vorschrift, die sogar am shabbat durchgeführt werden kann, nicht mehr durchführen dürfen und in der öffentlichkeit keine kippa mehr tragen können. irgendwann wird es wegen diese progromstimmung gegen juden in deutschland wieder tote juden geben. die frage ist nicht ob, sondern wann.

     

    übrigens: wieso verlangt niemand, dass man den tausenden rauchenden oder trinkenden schwangeren oder müttern ihre kinder wegnimmt? oder geht es letzlich nicht um kinder, sondern darum, den juden eins reinzuwürgen?

  • L
    lowandorder

    Herr Sherma und Herr Lagodinsky (2.?) sind das, was man Volljuristen nennt.

    Um so erstaunlicher, daß sie derart schlampig argumentieren.

    Nach langjähriger richterlicher Tätigkeit ist mir das natürlich geläufig.

    Aber warum lädt die taz sie zum Interview ein?

     

    "Es gibt psychische Schäden, die viel gravierendere Konsequenzen haben als eine Beschneidung". So und ähnlich.

     

    Daß das rechtlich bullshit ist, is plan as plan can be.

     

    Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die Verfassung - das Grundgesetz - und es gilt der ordre public - die öffentliche Ordnung.

     

    ( Bereits) danach ist eine Körperverletzung zwingend strafbar und die öffentliche Gewalt - vulgo der Staat - verpflichtet, die in seinem Herrschaftsbereich lebenden Menschen - gleichviel, ob Kind oder nicht - davor zu schützen.

     

    Eine Beschneidung ist eine Körperverletzung. Punkt.

    Irgendwelcher Traumauntersuchungen bedarf es auf dieser Ebene nicht.

     

    Der ordre public besagt, daß dies für alle diese Menschen gilt.

    Gleichviel, was ggfls. in ihren Herkunftsländern, ihren Religionen, Bräuchen etc gilt.

    Klassisch: Aufenthaltsbestimmungsrecht für Kinder ( und Ehefrauen!).

    Niemand dringt damit durch: 'ja aber in meinem Staat, nach meiner Religion …'

    ( eine Kieler Kollegin wurde dieserhalb ermordet).

     

    Strafbar ist die Körperverletzung nicht, wenn Berechtigte rechtlich wirksam - hier stellvertretend genehmigen/einwilligen.

     

    Religion, Brauchtum kann durchaus eine beachtliche Rechtsquelle, ein Wertungstopos, - gesichtspunkt sein.

    All das aber streitet auch - gern übersehen - für das jeweilige Kind:

    negative( abwehrende) Religionsfreiheit.

     

    "Beschneidung…grundlegendes, identitätsstiftendes Prinzip dieser( hier jüdischer) Religion."

    Mag sein.

    Herr Lagodinsky  weist aber gleich zu Anfang in die richtige Richtung:

    " selbst entscheiden lassen…zum Beispiel im Alter von 14 Jahren, wenn man religionsmündig wird."

     

    Les ich dann noch, daß eine symbolische ! Beschneidung beim Baby akzeptiert wird, dann liegt auf der Hand, daß dies die insbesondere aufgrund der negativen Religionsfreiheit des Kleinkindes und dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit allein die verfassungskonforme Lösung ist.

    Die auch den Gesetzgeber bindet.

    kurz: nur der geringstmögliche Eingriff ist rechtlich zulässig!

     

    Der Rest des Interviews ist damit Geschwurbel für die Galerie.

     

    Ps für die Herren Volljuristen:

    Nach allem was über das Urteil des Landgericht Köln zu lesen stand, ist es handwerklich sauber gemacht.

    Daß fünf Juristen dazu acht verschiedene Meinungen haben - normal!

  • G
    Gerald

    Gaeehn, lest doch mal nach was Wladimir Kaminer zum Thema geschrieben hat, ist viel amuesanter (in 'Russendisko@)

  • F
    Freigeist

    Zu Mehrdad:

    Sie beklagen sich über die vermeintliche "Agressivität der Beschneidungsgegner" weil diese ihre Ablehnung mit den Begriffen "Kindesmisshandlung" und "Amputation" zum Ausdruck bringen !?!

    Nun, hierbei handelt es sich aber nun mal um die sprachlich korrekten Bezeichnungen für die Umstände

    a) einem Kind Schmerzen zuzufügen

    b) ein Körperteil abzuschneiden

    Und nun wäre plötzlich nicht derjenige der Aggressor der genau diese Taten begeht, sondern derjenige der sie so benennt? Ich denke, man muß tatsächlich religiös sein um so wirr denken zu können.

    Ferner beklagen Sie sich dass alle diesbezüglichen Gerichtsverfahren in Deutschland Juden und nicht Moslems betreffen würden!?! Tatsache ist doch vielmehr dass das Kölner Gerichtsurteil, welches schließlich die ganze Lawine lostrat, einen muslimischen Jungen betraf.

    Was ist das hier?: Störungen der Wahrnehmungs-und Informationsverarbeitung?, Hysterie?, Paranoia?, oder einfach nur neurotisch-böswilliges Gekeiffe? Sie sehen mich ratlos und gleichzeitig heilfroh dass ich es geschafft habe meine mir anerzogene religiöse Erziehung abzustreifen.

    Hinter den dichten Weihrauchnebeln liegt das lichte weite Land !!!

  • RL
    Raphaela Langenberg

    Hallo Mehrdad: Die Anzeige des Arztes gegen einen Mohel erfolgte m. W. wegen einer Werbe-Anzeige, die dieser geschaltet hatte und weil es in dieser Werbe-Anzeige um ein medizinisches Angebot eines Nicht-Mediziners ging.

     

    Die allermeisten Äußerungen und Kommentare der Zirkumzisions-Gegner sind weder antisemitistisch noch islamfeindlich: Zwangs-Zirkumzisionen sollen ja bitte auch nicht aus "ästhetischen" oder "hygienischen" Gründen stattfinden dürfen. Vielmehr geht es darum, daß Kinder heute (zum Glück endlich) nicht mehr als "Sach-Eigentum" der Eltern gelten, sondern von Geburt an Menschenrechte haben. Unter anderem das der körperlichen Unversehrtheit. Daher müssen sie über ihren EIGENEN Körper dann SELBST entscheiden können, wenn sie dazu alt genug sind (mit der Volljährigkeit, da sie vorher die Folgen noch nicht klar absehen können und noch zu beeinflussbar sind).

     

    Und es geht darum, daß ALLE Menschen und ALLE Kinder GLEICHE Rechte haben. Sonst wird es auf Dauer kein friedliches Zusammenleben geben können. Das funktioniert nur, wenn sich ALLE an dieselben Gesetze halten.

     

    Es gibt inzwischen eine ganze Menge neuer Erkenntnisse über die Folgen. Einen guten Überblick bekommt man z. B. hier: www.beschneidung-von-jungen.de

    Darüber sollte man sich im Interesse seiner Kinder bitte informieren.

     

    Und à propos Hausgeburten: Dieser Statistik glaube ich nicht! Habe NUR extrem verantwortungsbewußte Hebammen kennen gelernt: Weil ein Kind etwas zu früh dran war, wurde ich von ihnen in ein KH geschickt und (nur!) dort gab es Probleme. Die anderen drei sind zuhause geboren und alles war super!

    - Vorhäute sind natürlich und Geburten sind natürlich. Es gibt weder bei dem einen noch dem anderen einen Grund zu Pathologisieren.

  • G
    Goi

    Zu mehrdad von 14:25

    Ihr Kommentar ist absolut infam, da sie die Fakten verdrehen!

     

    Zur Umgehung eines möglichen Verbotes können auch Juden kurz vor der Geburt verreisen. Damit stehen sie gleichwertig zu Muslimen.

     

    Als Goi muss ich sie leider auf die Midrasch der Jüdin Hadass Golandsky verweisen: http://www.hagalil.com/bet-debora/journal/tabu.htm, die eine Beschneidung als Akt des sexuellen Kindesmissbrauchs sieht. Und die Abtrennung wird nun mal Amputation genannt.

     

    Sie verkennen auch, dass das Urteil des LG Köln aufgrund eines muslimischen Jungen gefällt wurde.

     

    Sie brauchen also bessere Argumente, um mich und andere als Antisemit zu beschuldigen! Vielleicht diskutieren Sie besser die Rechtsfrage. Allerdings gibt es Juraprofessoren, die das Beschneidungsverbot für grundgesetzkonform halten. Ein Sondergesetz hingegen soll wahrscheinlich keine Bestand vor dem BVG haben.

     

    Dann könnten Sie nur noch einen religiösen Diskurs führen, wie der Jude Prof. Michael Wolffsohn in der Welt: http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article108847257/Die-Vorhaut-des-Herzens.html, der meines Erachtens von gläubigen Juden nicht nachvollziehbar ist. Diese können nur durch eine gute Midrasch über 1. Mose 17, 9-14 überzeugt werden, welche eine grundgesetzkonforme Form des Rituals erläutert.

  • DO
    Der Observer

    @mehrdad:

    "b) dass ALLE klagen und gerichtsverfahren bisher ausschliesslich die juden betreffen und nicht ein verfahren gegen einen islamischen beschneider eröffnet wurde."

    Dies ist nicht zutreffend.Es sind Ermittlungen,in diesem Zusammenhang gegen einen muslimischen Arzt geführt worden.Ich denke es ist nicht mehr zeitgemäss die Meinungen und Ansichten von selbstständig denkenden Menschen,welche sich für ein Verbot aussprechen jedesmal mit der Geschichte der Verfolgung mundtot macht.

  • J
    Jellybane

    Ich denke, die Situation ist recht eindeutig:

     

    Wenn man die Wahl hat zwischen dem Respektieren einer archaischen Tradition und dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Kindern, so haben die Rechte des Kindes eindeutig schwerer zu wiegen.

     

    "Aber wir haben das immer schon so gemacht" oder "das ist Teil eines jahrtausende alten Brauchtums" sind meines Erachtens schlichtweg keine akzeptablen Argumente für solch permanente Eingriffe in die körperliche Beschaffenheit der Kinder.

     

    Und ja, mit genau solchen Argumenten verteidigen sich auch Leute aus Kulturen, in denen weibliche Beschneidung (in all ihren Abstufungen) praktiziert wird. Der Vergleich ist mehr als angebracht.

     

    Es ist absurd, dass Lagodinsky einen operativen Eingriff als weniger problematisch hinstellt als einen Akt körperlicher Züchtigung.

  • MF
    Mi Fu

    Religionsfreiheit bedeutet auch die Freiheit, nicht zu glauben.

    Deshalb sollte an religionsunmuendigen Kindern keine Manipulation des Koerpers aus religioesen Gruenden vorgenommen werden. Eine Beschneidung ist nicht mehr rueckgaengig zu machen, auch wenn das betroffene Kind als Erwachsener Atheist wird.

     

    Genauso wende ich mich gegen die Taufe von Kleinkindern. Wenn ein Mensch einer Kirche beitreten will, ist die Religionsmuendigkeit mit 14 frueh genug.

  • P
    PeterWolf

    Lagodinsky schwafelt!

    Seriöse Argumentation sieht anders aus.

    Setzen, sechs!

  • WS
    Wolfgang Schmolz

    Diese Thematik möchte ich mal etwas näher von der Seite unseres Grundgesetzes erläutern.Zunächst haben wir da die Religionsfreiheit.Dieses Grundrecht gilt allerdingst unter Vorbehalte.Niemand darf zu religiösen Übungen genötigt(gezwungen) werden.Dies ist ein sehr guter und weiser Satz.Er schützt die Einzelperson vor Übergriffen einer Religion.Dies trifft auch auf den Akt des Beschneidens zu.Ein Kind kannn sich nicht dafür entscheiden.Darum legt das Grundgesetz weiterhin fest das -Das Wohl des Kindes vor geht-und die Kinder nicht der Besitz der Etern sind.Zusammenfassent bedeutet das-Religionsfreiheit muß in diesem Kontext gelesen werden.Wer dies anders bewertet wird nie den Sinn des Grundgesetzes verstehen.Religionsfreheit heißt auch die Regeln zu beachten die damit verknüpft sind.-

  • HW
    Halten wir mal fest:

    Die Angelegenheit wird früher oder später vor dem Bundesverfassungsgericht landen, dass wissen wir doch alle.

    Alle Seiten sind hinreichend aufgescheucht und von ihrer jeweiligen Sache überzeugt, niemand wird hier aufgeben, bevor er sich nicht durch alle Instanzen geklagt hat.

     

    Wegen der Gleichberechtigung der Geschlechter wird das Bundesverfassungsgericht dann vor folgender Frage stehen:

    Erlauben wir die Klitorisvorhautbeschneidung bei Mädchen oder verbieten wir die Eichelvorhautbescheidung bei Jungen?

     

    Ratet mal, wie das ausgeht.

     

    Die Sache ist längst gelaufen.

    Ist mir klar, dass Zeitungen mit dieser trockenen Feststellung nicht so viele Seiten füllen und nicht so hohe Auflagen erreichen, aber so ist es.

     

    Medien tut sich doch immer groß mit ihrem angeblichen Informations- und Aufklärungsauftrag.

    Na, dann macht mal.

  • B
    Bob

    Immer wieder das gleiche es kommen keine Argumente (da es auch schwer möglich ist eine Körperverletzung an Kindern/Babys zu rechtfertigen) der Beschneidungsbefürworter...

     

    Auch sollte der Hinweis auf die WHO längst überflüssig sein den man sollte langsam gehört und verstanden haben das sich dieser auf Afrika und erwachsene Männer bezieht und die WHO sich NICHT für eine Beschneidung an Kindern/Babys stark macht...

    Desweiteren ist auch immer wieder das gleiche, dass von den Beschneidungsbefürwortern eine Handvoll an nicht vergleichbaren Vergleiche herangezogen werden (siehe in diesem "Streitgespräch": Haugeburten, Frauen in kath. Kirchen, etc... um Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen) jedoch sie relativ schnell "allergisch" auf andersweitige Vergleiche reagieren...

     

    Da die Politik in diesem Fall wohl schon eingeknickt und das Grundgesetz über Bord geworfen kann man wohl nur noch auf das Rückgrat des Verfassungsgericht hoffen...

  • A
    Andrea

    Ich finde die Frage auch schwierig einzuschätzen; letztlich kommt man aus der Spannung zwischen den beiden Polen kaum heraus. Ich persönlich tendiere dazu zu sagen, dass Veränderungen in dieser Frage aus dem Judentum selbst heraus kommen müssen. Wir als Mehrheitsgesellschaft müssen zunächst einmal die Praxis der Beschneidung respektieren, unter den genannten Auflagen wie ärztliche Aufklärung und örtliche Betäubung. Selbst dann, wenn sie uns fremd ist und wir eigentlich dagegen sind. Alles andere erscheint mir überheblich.

     

    Gleichzeitig haben wir aber auch Gestaltungsräume: Wir können uns durchaus dafür entscheiden, jüdische Gruppen, die innerhalb ihrer Religionsgemeinschaft gegen Beschneidungen eintreten, zu unterstützen. Entweder finanziell oder auch ideell, zum Beispiel durch Advocacy-Seminare oder ähnliches. Das kann dann durchaus langfristig zu einer Veränderung führen; und dieser Schritt erscheint mir im Rahmen der Religionsfreiheit als ohne Weiteres vertretbar.

  • T
    Teermaschine

    "...die neue religiöse Vielfalt..."

     

    kann mir gestohlen bleiben, wenn dafür elementare Grundrechte in Frage gestellt werden. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung kann niemals das höherrangige Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit beschneiden.

    Hoffentlich zeigt das Bundesverfassungsgericht, das sich irgendwann mit einer gesetzlichen Regelung der legalisierten Genitalverstümmelung beschäftigen wird, dann klare Kante: Sonst streiten wir in 5 oder 10 Jahren darüber, welche Form der weiblichen Beschneidung adäquat der Vorhautentfernung zu gestatten sei.

  • C
    Ceres

    Meiner Meinung nach leben Menschen, die eine Beschneidung als kleinen Eingriff mit einer "kleinen Wunde" bezeichnen, in einer Traumwelt.

    Ich kenne auch die schönen Familienvideos der Beschneidungsriten. Es wird gesungen und vor allem geschrien. Ich selbst wurde beschnitten, aus medizinischen Gründen und man konnte das ganze zum Glück mit einem anderen Eingriff unter Vollnarkose machen. Trotzdem sind die Tage danach die Hölle gewesen.

     

    Weiterhin finde ich es überraschend das die Beschneidung mit 8 Tagen auf einmal zu einer unüberwindlichen Vorraussetzung zum Judentum wird. Ich habe auch schon von Juden gehört, die sich erst im Erwachsenenalter haben beschneiden lassen und trotzdem noch Rabbiner werden konnten.

    Natürlich ist es im Judentum möglich sich später beschneiden zu lassen. Vor allem dann wenn ein triftiger Grund vorliegt, etwa wenn die Beschneidung in dem Land in dem Alter verboten ist.

     

    Den Vergleich mit den Hausgeburten finde ich so ziemlich daneben. Im einen Fall geht es um Schmerzen, in anderen Fall um eine höhere Mortalitätsrate (wir vergleichen hier einen aktiven Effekt mit einer passiven Warscheinlichkeit). Wobei es gar nicht gesagt ist, dass der Gesetzgeber Hausgeburten noch lange zulassen wird. Die Rahmenbedingungen sind zum Beispiel schon lange so, dass sich dieses Modell auf Dauer nicht mehr lohnt.

     

    Ganz im Gegenteil ist die Sache mit den Züchtigungsrecht eine sehr gute Frage. Nicht nur im Koran gibt es solche Stellen. Auch im Christentum werden Eltern aufgefordert von diesem Erziehungsmittel gegenüber ihren Kindern gebrauch zu machen. Im Fall des Koran gibt es sogar Gerichte, die das anerkennen (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/justiz-skandal-deutsche-richterin-rechtfertigt-eheliche-gewalt-mit-koran-a-472849.html).

    Wo ist nun der Unterschied? Ab wann ist eine religiös Motivierte Körperverletzung legitim und wann nicht? Wie sieht es mit anderen Reilgionen aus? Darf ich mein Kind quer über das Gesicht tätowieren lassen, weil mein Glaube dies vorsieht?

     

    Und was viele Religionen nicht verstehen wollen, Religionsfreiheit bedeutet nunmal, dass mir der Staat die Freiheit einräumt meine Religion aus zu üben. Die hört aber genau da auf wo die Freiheit der anderen anfängt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich wenn die christilichen Kirchen hier mitmischen.

    Im Endeffekt geht es hier wie immer nur um Macht.

  • ES
    egon schüler

    zunächst wir sind hier eine säkularisierte gesellschaft,von einer ausweitung religiöser rechte

    ist grundsätzlich abzuraten.das würde die rechtsgemeinschaft unterlaufen.eher sind religiöse rechte auf das maß zurückzudrängen welches die verfassung vorsieht.d.h.völlige gleichstellung der geschlechter in den religionen und ämtern.

    ebenso sind die gottesvorstellungen und praktiken zu hinterfragen..

    sind diese mit der verfassung kompatibel..antiautoritär,freiheitlich..?

    die identitässchaffung oder beibehaltung der norwegischen lösung erscheint in dieser hinsicht die

    bessere der lösungen zu sein.

    keine weltanschaung kann für sich sonderrechte beanspruchen...auch keine mit semiextraterristischen spekulativen optionen.

    ist doch logisch,oder.man wird doch nicht erwarten wollen von der deutschen mischgesellschaft dasS sie rückschrittliche entwicklungen tolleriert oder emanzipatorische ausbremmst weil manche religionsvertreter schon länger in deutschland wohnen als andere oder schon vor der erklärung der menschenrechte und der un-kinderrechtsereklärung.

    und wer als russischer jude seine identität nur oder in der hauptsache durch die beschneidung erfuhr,der tut mir leid.aber es soll ja der bezug zu der urväterlichen handlung impliziert sein,der anders wohl nicht deutlich ausgedrückt werden konnte.

    nun in westeuropa sind da sicher andere möglichkeiten gegeben..

  • P
    psychoanalyse

    Als Kinder- und Jugendpsychiater halte ich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit für wichtiger als das elterliche Sorgerecht und die angebliche "Identitätsstiftung" der Beschneidung. Identitätsstiftend kann eine Beschneidung aus der Sicht des Kindes nicht sein, denn es hat mit 8 Tagen Alter noch kein Bewußtsein. Es hat allerdings ein Schmerzempfinden. Deswegen kann sich eine Verletzung immer nur negativ auf das Kind auswirken.

    Identitätsstiftung ist ein Widerspruch in sich. Identität kann nicht gestiftet werden. Identität kann nur erworben und entwickelt werden. Dies setzt ein Bewußtsein voraus. Dies sollte bei Sigmund Freud nachgelesen werden, der bekanntermaßen selbst Jude war und eine der wichtigsten Errungenschaften der Neuzeit entdeckt und entwickelt hat, nämlich die Psychoanalyse.

     

    Vergleiche mit Hausgeburten etc. hinken immer.

  • V
    vic

    Herr Lagodinskys Argumente pro Beschneidung sind dürftig bis seltsam.

  • W
    Wolfgang

    Analog: Aus christlicher Überlieferung und Familientradition als Kleinkind fremdbestimmt und zwangsgetauft. In die Kirche halb geschleppt und auch zur Beichte gegangen (worden). Aber endlich mit 14. aus der Kirche ausgetreten und Schritt für Schritt die geistige Entmündigung und Gefangenschaft überwunden.

  • I
    I.Q

    Warum soll Beschneidung "identitätsstiftend" sein, wenn man sowohl als Jude oder Moslem, wie auch aus medizinischen Gründen beschnitten sein kann?

  • M
    mehrdad

    muslime können mit einem beschneidungsverbot gut umgehen, da sie mit ihre 4-8 jährige söhne problemlos verreisen können.

     

    für das judentum in deutschland wäre so ein gesetz aber das ende. mit einem 8 tage alten baby kann man nicht reisen.

     

    erstaunlich finden wir:

     

    a) die aggressivität der beschneidungsgegner. da ist z.t. von kindesmisshandlung oder amputation die rede.

     

    b) dass ALLE klagen und gerichtsverfahren bisher ausschliesslich die juden betreffen und nicht ein verfahren gegen einen islamischen beschneider eröffnet wurde.

     

    das alles passt zu der in deutschland herrschende stimmung, dank der die juden wieder ihre kippas in der öffentlichkeit verstecken müssen.