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Streitfall AfghanistanGrüne im Unfrieden mit sich

Auf dem friedenspolitischen Kongress beweisen die Grünen, dass mehr Außenpolitik nur mit mehr Unsicherheit für die Partei zu haben ist. Zion und Co: "Chance verspielt".

Der Zankapfel der Grünen. Bild: ap

DECKUNG FÜR ROTH

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat wichtige Unterstützung für ihre Wiederwahl im November erhalten. Die beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im nächsten Jahr, Fraktionschefin Renate Künast und Fraktionsvize Jürgen Trittin, sprachen sich für die Wiederwahl von Claudia Roth aus. "Claudia Roth macht weiter, Reinhard Bütikofer scheidet aus - das ist eine gelungene Mischung aus Kontinuität

und Erneuerung", sagte Trittin. Auch Künasts Kofraktionsvorsitzender Fritz Kuhn stellte sich hinter Roth und nannte "das derzeitige Mobbing an ihrer Person eine Sauerei".

BERLIN taz Eine "Uli" mit dichtem grauen Zopf brachte das Problem auf den Punkt: "Verstehe ich das richtig, dass wir über Militäreinsätze jetzt anhand von Meinungsumfragen im betroffenen Land entscheiden?", fragte sie.

Dies wiesen die Diskutanten im Workshop "Lessons Learned - wie weiter in Afghanistan?" auf dem friedenspolitischen Kongress der Grünen am Samstag in Berlin natürlich von sich. Es gehe darum, die Afghanen "ernst zu nehmen". Und wenn eine sorgfältige und ausführlich präsentierte Studie der Freien Universität Berlin zeige, dass im Norden Afghanistans die Menschen sich dank der internationalen Truppen sicherer fühlten, dann spreche dies eben auch für den deutschen Einsatz dort.

Doch konnte die Runde nicht die Fragen im Titel des Workshops klären, die direkt oder indirekt der Gegenstand nahezu aller Diskussionen der Veranstaltung mit rund 300 TeilnehmerInnen waren. Wenn sich die Grünen zum Aufbau in Afghanistan, zum Schutz der Menschenrechte weltweit bekennen - was kostet das, braucht man dazu Soldaten, wenn ja: wie viele? Und wollen die Grünen sich dafür wirklich einsetzen?

Sie müssen, hatte zuvor die "Friedenspolitische Kommission" der Partei in einem 17-seitigen Papier erklärt: Auch Deutschland "muss bereit sein, einen größeren Beitrag für die Friedenssicherung innerhalb der Vereinten Nationen zu leisten - durch das Bereitstellen von Blauhelmen und Polizisten, durch finanzielles Engagement, durch diplomatische Initiativen und weitere Maßnahmen, die geeignet sind, VN-Mandatierte Friedenssicherung zu effektivieren". Wobei Letzteres auch Nato-Einsätze meinen dürfte.

Zu Recht schmähte ein Gegenpapier der "Grünen Friedensinitiative" die Arbeit der Kommission als reichlich dünn, ungrün und "unehrlich". Denn keinesfalls bildet sich der tiefe Konflikt der Partei darin ab, der zuletzt auf dem Göttinger Parteitag 2007 in eine Katastrophe für die Berliner Führung mündete. Der bis dato unbekannte Robert Zion aus Gelsenkirchen bewegte damals eine Mehrheit dazu, den Afghanistan-Einsatz inklusive Tornados abzulehnen.

Zion und Gleichgesinnte sorgten auch auf dem Kongress für Irritationen. Sie klagten ein, dass das Parteitagsvotum eingelöst werde. Peter Alberts aus Münster rief in den Afghanistan-Workshop: "Dieser Kongress ist überhaupt keine kritische Bilanz des rot-grünen Regierungshandelns, hier wird eine Chance verspielt." Da der Kongress maßgeblich vom linken Claudia-Roth-Flügel organisiert worden war, der das Wochenende auch brauchte, um die Parteichefin im Sattel zu halten (siehe Kasten), kamen solche Einwürfe natürlich ungelegen.

Eine Vermittlungsrolle fiel deshalb der Grünen Jugend zu, die einen weit ausführlicheren und konkreteren Friedensbericht mitgebracht hatte als die Mutterpartei. So fragte der Junggrüne Arvid Bell im Afghanistan-Workshop: "Was machen wir denn", wenn der Krieg im Süden Afghanistans auf den Norden übergreift, "und die Bevölkerung den Einsatz plötzlich ablehnt?" Der Göttinger Parteitagsbeschluss sei eben deshalb "sehr weise" gewesen, weil er diese Unsicherheit abbilde, sagte Bell.

Doch ist mit Unsicherheit schlecht Politik zu machen. Der Workshop "Zivile Krisenprävention" mit der Ex-Parteichefin, jetzt EU-Parlamentarierin Angelika Beer zeigte, dass allen Wünschen für mehr zivile Außenpolitik zunächst die Realität entgegensteht. Friedrich Däubler, zuständig für zivile Krisenprävention im Auswärtigen Amt, gab ein "erhebliches und bedenkliches Defizit" zu Protokoll. Seine Stelle werde zum Sommer übrigens gestrichen.

Beer berichtete von einem neuen europäischen Topf, der bis 2013 mit immerhin 2 Milliarden Euro ausgestattet ist. Noch aber gebe es kaum Anträge. Dass auch die Grünen immer wieder über Militäreinsätze diskutierten, weniger über zivile Möglichkeiten, liege in der Natur der kleinteiligen Arbeit des Waffensammelns und Moderierens: "Da, wo es gelungen ist, gibt es keine Schlagzeile", sagte Beer lakonisch. ULRIKE WINKELMANN

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