Streit um Inzest-Tatort : Die Freiheit zum Vorurteil
Kunstfreiheit versus Diskriminierungsverbot: Was schwerer wiegt, ist im Fall der Tatort-Folge über Inzest in der alevitischen Gemeinschaft schwer zu entscheiden. Natürlich kann sich die ARD nicht von einer Minderheit wie den Aleviten ihr Programm vorschreiben oder ihre Plots „absegnen“ lassen. Unglücklich ist das Sujet „Inzest in der alevitischen Gemeinschaft“ dennoch, weil es just mit dem Vorurteil spielt, das Grundlage der jahrhundertelangen Verfolgung von Aleviten in der Türkei ist.
KOMMENTAR VON JAN KAHLCKE
Den Tatort-Autoren niedere Beweggründe zu unterstellen oder zu vermuten, sie seien durch fanatische Sunniten instrumentalisiert worden – das sind natürlich absurde Verschwörungstheorien, geboren aus dem Schmerz darüber, auch nach Flucht und Vertreibung immer wieder den ewig gleichen Stereotypen ausgesetzt zu sein. Schlimmstenfalls wäre tatsächlich die Recherche des Tatort-Themas etwas kurz gekommen. Wäre man dabei auf die Anti-Alevitischen Topoi gestoßen, hätte sich das Spiel mit dem Thema Inzest allerdings in der Tat verboten.
Aber all das ist Spekulation. Für die geforderte Entschuldigung ein bisschen wenig. Besser sollte man aus dem aktuellen Konflikt den Appell ableiten, „Minderheiten“-Themen besonders gründlich zu recherchieren. Oder im Zweifel die Finger davon zu lassen.