Streit um Fördergelder: Die Sorgen der Sorben
Ihre Kultureinrichtungen seien chronisch unterfinanziert, so die Sorben selbst. Bund und Länder entscheiden nun über die weitere Förderung der slawischen Minderheit.
DRESDEN taz Ungefähr 60.000 in der Lausitz siedelnde Sorben schauen an diesem Donnerstag mit Sorge nach Berlin. Zwischen dem Bund und den Ländern Brandenburg und Sachsen wird verspätet über den Wirtschaftsplan und ein neues Finanzierungsabkommen für die Sorbische Nationalstiftung verhandelt. Das bisher gültige Abkommen, das 1998 zeitgleich mit dem Staatsvertrag über die Errichtung einer Stiftung für das sorbische Volk geschlossen wurde, ist zum Jahresende 2007 ausgelaufen.
Der Bund macht seit 2003 von der vertraglichen Möglichkeit Gebrauch, seine Zuschüsse von ursprünglich 8,2 Millionen Euro stetig zu senken. Nachdem er ebenso wie Brandenburg eine Haushaltsperre für das laufende Jahr verhängt hat, fürchten die Sorben um ihre in der Stiftung zusammengefassten kulturellen Einrichtungen.
Die slawische nationale Minderheit steht, anders als die Schleswiger Dänen, nicht in Beziehung zu einem benachbarten Mutterland. Die Sorben sind Nachfahren der ursprünglich im Gebiet des heutigen Sachsens siedelnden Slawen. Ihre Geschichte kann etwa 1.400 Jahre zurückverfolgt werden. Perioden nationalistischer Ausgrenzung wechselten mit solchen besonderer Förderung. Ihr Siedlungsgebiet wird bis heute durch die in der Lausitz vorrückenden Braunkohletagebaue bedroht, denen seit 1924 mehr als hundert Dörfer zum Opfer fielen. Heute dezimieren Geburtenrückgang und der Wegzug vor allem junger Sorben wegen der prekären Wirtschaftslage das Völkchen. Identitätsstiftende Einrichtungen wie das Sorbische Nationalensemble oder der Domowina-Verlag sind auf öffentliche Förderung angewiesen. Diese Aufgabe ist im Einigungsvertrag und in den Landesverfassungen festgeschrieben.
Eindringlich mahnt deshalb ein Memorandum der Domowina, der mehr als 7.000 Mitglieder zählenden Interessenvertretung der Sorben, eine kontinuierliche Förderung an. "Eine rückläufige Finanzierung gefährdet die Erfüllung der allernotwendigsten sprachlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Aufgaben und damit die Zukunft des sorbischen Volkes", heißt es im Appell an die Bundesregierung.
Benedikt Dyrlich, Vorsitzender des Sorbischen Künstlerbundes und Chefredakteur der Zeitung Serbske Nowiny, hat dennoch "kein gutes Gefühl" vor dem Verhandlungstag. Parlamentarier der Landtage in Potsdam und Dresden aus dem Stiftungsbeirat haben sich zwar für die unbefristete Festschreibung von 16,4 Millionen Euro Fördersumme ausgesprochen. Doch es geht nicht nur um die Frage, ob am Ende diese Summe oder die wahrscheinlichere von nur 15,6 Millionen Euro für die Stiftung stehen wird. Im Kern schwelt ein Bund-Länder-Streit um Zuständigkeiten, etwa für Schulbücher oder Internate.
Zu berücksichtigen ist auch die Kritik der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder. Der Verwaltungsapparat der Stiftung gilt als überdimensioniert und mit zu vielen Versorgungsposten ausgestattet. Geschäftsführer Bernhard Ziesch weist dies zurück. "Die Vorwürfe sind nicht mehr relevant", sagt er, "wir haben alle Kritikpunkte abgearbeitet." An der ebenfalls bemängelten eigenständigen Verteilung des Gesamtbudgets möchte er aber festhalten.
Bislang hat sich nur Sachsen zur uneingeschränkten Fortführung seines Förderanteils von 4,5 Millionen Euro bekannt. Die Haushaltssperre Brandenburgs habe nur technische Gründe, erklärt ein Sprecher des dortigen Kulturministeriums.
"Was will die Bundesregierung eigentlich?", fragt Benedikt Dyrlich. Er sieht den Bund wegen der Nationalitätenpolitik weiterhin in der Pflicht, die Stiftung zur Hälfte zu finanzieren. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) aber habe noch nicht ein einziges Mal mit den Sorben gesprochen.
Die haben sich jetzt erstmals mit einer Demonstration in Bautzen gewehrt, wie sie es zuletzt nur bei der demografisch bedingten Schließung sorbischer Schulen taten.
Kommt es zu keiner befriedigenden Einigung, droht ein Eklat: Die sorbischen Mitglieder des Stiftungsrates erwägen einen demonstrativen Rückzug, um sich nicht an der Schließung eigener Einrichtungen beteiligen zu müssen.
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