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Streit der WocheIst Rücktritt Schwäche?

Fast jede Woche ein neuer Rücktritt: Politiker, Sportler, Würdenträger. Kritiker werfen ihnen zu wenig Durchhaltevermögen vor. Andere loben den gesunden Egoismus.

Weg ist er:: Ole von Beust. Bild: dpa

Erst Deisler, Hannawald, Klinsmann und Merz. Später Koch, Köhler, Jepsen und Käßmann. Politiker, Bischöfinnen und Sportler: einer nach dem anderen tritt zurück.

Jüngstes Mitglied in dieser Riege ist der gerade zurückgetretene Hamburger Bürgermeister Ole von Beust. Neun Jahre lang war er Kopf des Hamburger Senats, jüngst in einer schwarz-grünen Regierung. Doch der CDU-Politiker soll in den letzten Monaten immer wieder über seinen vollen Terminkalender und die ständige Beobachtung geklagt haben. Am vergangenen Sonntag nahm von Beust den Hut.

Seitens des grünen Koalitionspartners kommt nun harsche Kritik. Von Beust schmeiße die Brocken hin und verlasse das sinkende Schiff. Die SPD-Opposition beschuldigt ihn, die Wähler düpiert zu haben. Auch manche Medien reagieren mit „Null-Bock“-Attributen.

Bild: taz

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Von Beust ist nicht der erste Politiker, dem seine „Amtsmüdigkeit“ vorgeworfen wird. Auch Horst Köhlers Abgang war umstritten. Die Zeit unterstellte ihm etwa „beleidigte Flucht vor dem eigenen Amt“. Und auch viele der anderen Zurückgetretenen werden heftig kritisiert.

Andere hingegen loben die Entscheidung von Beusts und seiner Mit-Rücktreter. Und meinen, sie verdienten Respekt dafür. Denn wer sich besonders hartnäckig an sein Amt klammert, dem wird oft vorgeworfen, dass er - wohl aus Machtgier nicht seinen Platz räumen wolle. Selbst wenn ihr Rücktritt als schon überfällig angesehen werde.

Es gibt auch das andere Extrem. Menschen, seien es Politiker, Wissenschaftler oder Sportler, die trotz körperlicher Leiden ihr Amt nicht niederlegen wollen. Aus Angst, schwach zu wirken. Oskar Lafontaine zwang erst eine Krebserkrankung dazu, kürzer zu treten. Den Sozialdemokraten Matthias Platzeck ein Kreislaufzusammenbruch und ein Hörsturz. Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel hat ihre Burnout-Erfahrungen in einem Buch verarbeitet, ebenso wie der Fußballer Sebastian Deisler.

Was meinen Sie – ist Rücktritt Schwäche?

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13 Kommentare

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  • D
    Dr.Sommerloch

    Ich finde diese Frage schwach-sinnig.

  • W
    Wolfgang

    Ehescheidungen sind auch eine Form von Rücktritt. Dazu

    gehört auch Mut.

    Es ist tatsächlich sehr schwer, in der heutigen Zeit zu bestehen. Überall Heckenschützen, hinterhältige

    Schulterklopfer, machtbesessene Männer oder Frauen,

    kankhafte Neider, übereifrige oder dumme Staatsdiener oder andere Menschen, die einem das Leben schwer machen. Aber da mußte durch, selber. Und beten nützt schon gar nichts.

  • J
    Jocken

    Ich bin auch schon mal zurückgetreten. Ich hatte einfach keinen Bock mehr.

    Ich finde, man sollte dann zurücktreten, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr genug Motivation einbringen zu können. Das klingt jetzt natürlich nach Niederlage, weswegen in unserer Gewinnergesellschaft nach Rücktritten die Schelte immer groß ist.

    Dabei sollte man Rücktritte als das sehen, was sie sind: Ein bisschen Wahltaktik und ganz viel Erneuerung.

  • T
    T.V.

    Rücktritt ist in den aktuellen Fällen eher Taktik. Gegen kurzzeitige Medienkritik ankämpfen, für ewige Ruhe (und besseres Einkommen z.T.) danach, wer möchte da nicht zurücktreten?

     

    Für jeden Hohlkopf rückt sofort der nächste Hohlkopf nach, so gesehen sind die Rücktritte ziemlich unbedeutend und verdienen kaum den Rummel.

     

    Schwäche ist jedenfalls etwas anderes. Bei den meisten im Text erwähnten Zurückgetretenen ist die hervorgekehrte "Schwäche" mehr ein Schauspiel, um noch möglichst lang in den Spotlights zu verweilen.

     

     

    Mich stört jedenfalls die Fokussierung auf einzelne Personen, die meistens doch von den wichtigeren Themen ablenkt, nämlich etwa den Gesetzen, die währenddessen stillschweigend erlassen werden und andere taktische Schachzüge im Hintergrund, die man meist Monate später erst bemerkt, wenn es für Proteste zu spät ist.

  • BB
    Bert Blank

    Ich meine, das kommt auf den jeweiligen Fall an:

    Ist der Rücktritt die Reaktion auf einen deutlichen Fehler, und geschieht er ehrlich gemeint, dann halte ich ein derartiges Verhalten für richtig.

    Dient der Rücktritt aber dazu, und das scheint in dem einen oder anderen der genannten Fälle so zu sein, Intrigen zu spinnen ohne diese offen darzulegen, wenn also ein Rücktritt geschieht, um bewusst dritte zu schädigen und auf diese Art "Politik" zu "gestalten", dann ist ein derartiges Verhalten nicht zu tolerieren.

    Das ist feige und hinterhältig und nichts anderes.

  • U
    Ulrich

    Nein, Rücktritt ist keine Schwäche.

    Nur in einer Demokratie, daß soll es ja sein, sollte man klar und deutlich sagen wieso!

    ( Herr Köhler z.B.)

    Erinnere mich an Ulrich Klose, damals, vor Jahren in HH , der zurückgetreten ist, weil er sich nicht von der Atomlobby erpressen lassen wollte.

    Nur die Rücktritte, die jetzt waren haben ein übeles "Geschmäckle". Denn dann tauchen Sie wieder auf in der Wirtschaft und " bekommen Ihre Belohnung".

    Das ist doch der Punkt. Und unserer BP sollte mal sagen, was gelaufen ist.

    Wenn ich nicht mehr dazu stehe trete ich zurück, es sein dann ich brauche das Geld; dann kusch ich.

    Ganz einfach

  • SG
    Stefan Großheld

    Das eigentliche Problem kann man offen benennen: Angela Merkel. Unter ihr ist die CDU so weit nach links gerückt, dass sie heute Positionen innehat wie früher mal die SPD. Sie ist keine Heimat mehr für Konservative, jedoch würden WählerInnen, die sich zur SPD oder den Grünen bekennen, trotzdem die CDU nie wählen.

    Überdies hat sie einen Führungsstil wie eine Alleinherrscherin. Wer weiss, vielleicht arbeiten die Herren Beust, Koch, Merz etc. bereits an einer neuen konservativen Partei.

  • S
    Stimmvieh

    Bleibt jemand trotz Fehlverhaltens oder Abstimmungsniederlagen jeglicher Art im Amt, ist er/sie machtversessen und klebt an seinem/ihrem Amt fest. Tritt er/sie dagegen zurück, so heißt es, er/sie habe "die Brocken hingeschmissen" (siehe Lafontaine und Gisy), manche legen gar mangelnde Machtgeilheit als Charakterschwäche aus.

    Da eine der theoretischen Grundlagen der Demokratie die Idee ist, dass Macht immer nur zeitweilig verliehen wird, ist auch ein Rücktritt, der nicht an einen konkreten Wahltermin gekoppelt ist, kein Zeichen von Schwäche, weder in der Person noch im System.

  • IW
    Inka Wolf

    Unsere Erfolge suggerieren uns eine Art der Unsterblichkeit.

    Menschliche Schwäche zu zeigen ist noch immer unerwünscht und das Verhalten der Zielperson wird gnadenlos kommentiert. Sie muss sich auf Blessuren und Anfeindungen von Außen gefasst machen.

     

    Wer für sich rechtzeitig erkennt, das "Hamsterrad" verlassen zu müssen, dem bringe ich meinen Respekt entgegen, denn er hat sich für sein Leben entschieden.

  • AU
    Alkohol und Fuellosofie

    Der Krebs geht zwei Schritte voraus, und einen zurueck ...

    Moralparasit ist ein echt dufter Typ. Er soll TETEQUIPENSE kennen ... Pilotprojekte fuer das Leben und die Gegenwart

  • N
    Normen

    Ich bin selber Krank, war 2005 und 2006 für jeweils ein halbes Jahr zuhause.Habe jetzt Prozente vom Versorgungsamt bekommen. Man könnte schon sagen das ich auch Amtsmüde bin und gerne Privatmann sein möchte. Aber Leider zahlt der Steuerzahler für mich nicht für den Rest meines Lebens eine mehr als ausreichende Pension. Ich werde wohl noch bis min. 67 Arbeiten müssen. Um dann mit 1500 Euro meine Rente zu geniesen. Achja, Ich habe mit 67 Jahren die wenigkeit von 51 Jahren gearbeitet. Ole geniese dein Leben auf Sylt,Ich werde mal an dich Denken...

  • F
    Feinfinger

    Unsere verbeamteten Politiker können zurücktreten, wann sie wollen. Mit den fetten Abfindungen und Pensionszahlungen muss es vorbei sein. Wenn Beule von Ost 32 Jahre als Politiker gearbeitet hat, müssten er und sein Arbeitgeber für 32 Jahre Beiträge in die gesetzlichen Sozialversicherungen einzahlen. Mit Erreichen vom Rentenalter, 65 oder 67, bekommt er dann Geld. Falls er bis dahin nicht arbeitet, ALG und dann ALG II. Seine Abfindung ist dann selbstverständlich anzurechnen.

     

    Es bedürfte nur kleiner Änderungen in diesem Staat und wir würden eine sozialere Gesellschaft bekommen.

  • H
    heikemai

    Ich denke, es gibt jede Menge Leute im Scheinwerferlicht, die ungenaue oder gar falsche Vorstellungen davon haben, wie sich ihr Alltag in dieser Position gestalten wird. Kein Geld der Welt kann die Tatsache aufwiegen, dass man ständig beobachtet wird. Immer wird das, was man sagt auf die Goldwaage gelegt. Man wird eingeschätzt, von Hinz und Kunz bewertet, man hat am laufenden Band Entscheidungen zu treffen. Letztendlich sind die Dinge, für die man eintreten wollte vielleicht noch irgendwo auf der Strecke geblieben. Wenn einer an der Spitze einer großen Vereinigung, einer Partei oder oder einer Regierung steht hat er nicht nur gegen seine Gegner zu kämpfen. In den eigenen Reihen gibt es immer auch Zweifler, Andersdenkende, Neider oder einfach Idioten. Wer in diesm Dschungel durchhält-Hut ab!

    Wer sich da übernommen hat und gesteht sich und dem Rest der Welt diese Tatsache ein-auch Hut ab!