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Streit der Woche"Welchen Rückhalt hat Kretschmann?"

Nach dem Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg glaubt die Schriftstellerin Gudrun Pausewang an den Erfolg der Partei. Der Politologe Markus Klein ist skeptisch.

Von ihm wird vieles abhängen: der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Bild: dapd

BERLIN taz | Knapp eine Woche nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg, bei der die Grünen das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt haben, ist der Politikwissenschaftler Markus Klein skeptisch, ob die Partei tatsächlich alle Hoffnungen erfüllen kann, die die Wähler auf sie setzen.

"Der Unwägbarkeiten sind zu viele, um wirklich vorbehaltlos an den Erfolg der Grünen glauben zu können", schreibt Klein im Streit der Woche in der sonntaz. Dafür stehe die Partei vor zu vielen schwierigen Aufgaben: "Können die Grünen Stuttgart 21 noch stoppen? Welchen Rückhalt hat der betulich-koservative Winfried Kretschmann wirklich in seiner Partei? Wie lange wird das Thema Ausstieg aus der Atomenergie die politische Agenda bestimmen?"

Die Antworten darauf würden über den Erfolg der Partei entscheiden, meint Klein, der an der Universität Hannover Professor für Politische Soziologie ist. Er vermutet, dass der politische Alltag den derzeitigen Höhenflug der Grünen schnell wieder beenden könnte.

Auch Katrin Göring-Eckardt, selbst Grünen-Mitglied und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, versucht die grüne Euphorie ein wenig zu relativieren: "Grüne Politik ist solides Handwerk und kein transzendentes Heilsversprechen, sie ist ehrliche Analyse und setzt auf kluge Konzepte und Problemlösung", schreibt Göring-Eckardt.

Gleichwohl könne aber auch eine grüne Regierungspartei "nicht übers Wasser gehen". "Der große Zuspruch für meine Partei, der mich freut, macht sich an politischem Vertrauen fest, nicht an sakraler Heilserwartung", stellt Göring-Eckardt klar. Daher sei Glauben kein tauglicher Begriff für Parteien oder politische Programme.

Bild: taz

Den kompletten Streit der Woche und viele weitere spannende Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 2./3. April 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

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Weitaus euphorischer zeigt sich die Schriftstellerin Gudrun Pausewang, die 1987 mit ihrem Anti-Atomkraft-Roman "Die Wolke" Berühmtheit erlangte. Sie ist schon jetzt vom Erfolg der Grünen überzeugt: "In diesem Rudel gibt’s eine Menge Idealisten. Denen gelingen manchmal fast Wunder", schreibt Pausewang. "Wer glaubt, der wagt. Ja, ich glaube an sie."

Pausewang hält die Grünen für glaubwürdig und aufrichtig – und sieht genau darin ihr Erfolgsgeheimnis. "Was sich das gesamte Wahlvolk in Zukunft von seinen Politikern erhofft, ist Ehrlichkeit. Auch wenn sie Schlimmes enthält. Man will sich nicht mehr Sand in die Augen streuen lassen. Ehrlichkeit traue ich den Grünen zu. Und noch mehr!", schreibt Pausewang. Dennoch müsse man der Partei eine "Vorlaufzeit zugestehen", mit Anfangsfehlern müsse man rechnen.

Im Streit der Woche in der aktuellen sonntaz diskutieren außerdem der SPD-Vorsitzende von Baden-Württemberg Nils Schmid, sonntaz-Leser Johannes Mentzel, die Stuttgart-21-Gegnerin Sigrid Klausmann-Sittler und der Publizist Oswald Metzger, der 2007 nach 20 Jahren bei den Grünen ausgetreten und heute CDU-Mitglied ist.

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11 Kommentare

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  • KW
    Kurt W. Fleming

    Winfried Kretschmann fehlt die Vision, daher wird er nichts besser machen, sondern Bisheriges nur „etwas“ anders (das nennt man irrigerweise ein neuen Politikstil). Ein Politiker, der kein Problem gehabt hätte, mit der Atomlobby-Partei CDU zu koalieren, kann letztendlich nicht das bewirken, was seine WählerInnen von ihm erwarten.

    Das Entsetzen aus Japan ist zu stark, als daß es die Grünen-WählerInnen merken, daß sie nicht nur von den Grünen getäuscht wurden, sondern daß sie auch sich selbst täuschen, weil sie gesellschaftspolitische Alternativen nicht sehen. Und die Grünen sind in nichts mehr eine Alternative! Wer aus dem Atom-Wahnsinn raus will, muß die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse massiv in Frage stellen. Das müßte gerade Kretschmann als „ehemaliger“ Kommunist wissen, wenn er seinen Mao, vielleicht auch Marx?, richtig gelesen und verstanden hat.

    Soziale Gerechtigkeit und Friedenskampf haben die Grünen schon längst den Linken überlassen, von denen zu hoffen ist, daß sie auf Dauer erfolgreicher agieren.

    Kretschmann ist mehr ein „grüner“ Mappus, der, wie einst Otto Schily, vom Paulus zum Saulus mutieren wird.

  • G
    geschichtswerkstatt

    @Günther Holzhofer: Das ist wirklich pikant. Soll das heißen, Rezzo Schlauch wird jetzt auf der Konzernseite heftig gegen die vorzeitige Schließung der KKW protestieren?

  • PB
    Pater Brown

    "'Grüne Politik ist solides Handwerk und kein transzendentes Heilsversprechen, sie ist ehrliche Analyse und setzt auf kluge Konzepte und Problemlösung', schreibt Göhring-Eckardt. Gleichwohl könne aber auch eine grüne Regierungspartei 'nicht übers Wasser gehen'." Mit Verlaub: warum "gleichwohl", Göring-Eckardt (ohne "h") sagt doch genau das. Deutscher Sprack, schwerer Sprack, wie?

  • A
    Anna

    Baustopp bei Stuttgart 21, was vor einem Jahr noch kaum einer für Möglich gehalten hat, ist dirket nach der Wahl der erste riesige Erfolg der neuen Regierung. Die Arroganz der Macht und die versteinerten Strukturen der Ministerien in Baden-Württemberg werden endlich zumindest in der Führungsebene ausgetauscht. Ministerien haben zum Beispiel den Angestellten der Hochschulen vorgeschrieben, was sie zum Thema Studiengebühren schreiben sollen. Studiengebühren hatten einen enormen Verwaltungsaufwand gekostet und keine Vorteile gebracht, schreiben sollten die Hochschulen, dass sie die Gebühren toll finden, die ganzen Lügen könnten jetzt aufgedeckt werden. Es wird sich viel ändern, weil die Grünen jetzt richtig was zu sagen haben und nicht ganz so viele bescheuerte Kompromisse eingehen müssen. Wir Wähler sind auch nicht blauäugig und können gut abschätzen, was geht und was nicht. Ich bin ein Kretschmann-Fan, er ist zwar nicht so Medientauglich, dafür besonnen und geradlinig. Politiker, die sich ständig in den Medien hervortun müssen, sind mir suspekt.

  • M
    Max

    Glauben und Heilserwartung mag keine geeignete Kategorie für die Analyse von Politik im Allgemeinen sein - dass sie aber auch keine geeignete Kategorie für die Analyse von Wählerverhalten sein soll, ist lächerlich.

     

    Selbst wenn man mal voraussetzt, dass es realistisch ist, den Grünen Ehrlichkeit zuzutrauen:

    Zu denken, dass die Wähler nciht belogen werden wollen, ist purer Realitätsverlust. Das ist schon fast selber wieder Glauben und Heilserwartung.

     

    "Ich bin gegen Rassismus und gegen Türken in meiner Kneipe."

    "Wasch mich, aber mach mich nicht nass."

    Klar erwarten die Wähler, die durch Fukushima zur Zeit hinreichend aufgeschreckt und eingeschüchtert sind von den Grünen, dass sie mal eben die Welt retten.

    Sobald das irgendwelche Konsequenzen hat, die sie selber im Alltag zu spüren bekommen, oder die gar irgendeine aktive Verhaltensänderung von ihnen fordert, werden sie auf die Grünen schimpfen wie die Rohrspätze und sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

     

    Warten wir ma ab, ob energiepolitesche Maßnahmen der Grünen in BaWü den Strompreis auch nur im Promillebereich erhöhen.

    Dann hat es sich augenbicklich mit jeglicher Unterstützung.

  • G
    grafinger1
  • G
    Greenhorn

    Der Kretschmann wirkt auf mich wie eine Schlaftablette.

  • H
    hamlet

    Auch bei kretschmann wird die Guttenbergisierung

    eintreten

  • H
    hamlet

    Auch bei kretschmann wird die Gutenbergisierung

    eintreten

  • GH
    Günther Holzhofer

    Sicher ist, die Woge, die die Grünen nach oben getrieben hat, wird sich abschwächen. Ziemlich sicher ist, Kretsch wird seine Sache gut machen. Ganz sicher ist, daß sich in Bezug auf grüne Kernforderungen die Terminologie ändern wird wenns ans Tagesgeschäft im Südwesten geht. Pragmatisch, im Rahmen des Möglichen, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände, usw., solche Phrasen werden auch bei Grünen Vertretern Verwendung finden, weit weg von den übermächtigen Forderungen und Versprechen aus Oppositionszeiten.

    Sicher ist aber auch, daß sich Roth, Trittin, Künast und Özdemir mehrfach Veilchen holen werden, wenn sie versuchen, sich in die Stuttgarter Politik einzumischen. Durch die vielen Wählerstimmen kommt eine wahre Geldschwemme auf die Parteikasse der Grünen zu. Ungewiss ist, welche Auswüchse es haben wird, beim einen oder andern, wenn der Hauch des Geldes um die Nase weht. Daß Menschen sich verändern wenn Geld im Spiel ist, zeigt sich nicht nur an den Biografien von Rezzo Schlauch und Joschka Fischer.

  • H
    hto

    Eine Seifenblase die sehr bald ihren Glanz verliert bevor sie platzt.