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■ Straßmanns kleine WarenkundeDer Stopfpilz

Gibt es eine rührendere Abteilung als die Kurzwarenabteilung? Gäbe es in den Kurzwarenabteilungen unserer Welt eine Gastronomie, müßte man sogleich von Erlebnisgastronomie sprechen, so erlebnisreich sind Kurzwarenabteilungen. Denken Sie nur an die Fingerhüte! In großen Boxen liegen sie zu hunderten und warten darauf, von lustvollen Genießern durchwühlt zu werden. Es wird Ihnen auch schon mal so gegangen sein: Sie überschlagen beim Wühlen im Kopf, was Sie anlegen müßten, um zu Hause dieses Wühlen zu haben. Fingerhüte kosten meistens eine Mark, etwa dreißig bräuchte man. Das Geld hätte man zur Not. Aber es herrscht keine Not. Also greift man ins Fach nebenan und kauft einen Stopfpilz.

Kaum noch ein Mensch besitzt heute einen Stopfpilz. Junge Frauen erröten, konfrontiert man sie überraschend mit dem Begriff; sie lachen hell auf, fragt man nach ihrem Handarbeitsunterricht. Herren mittleren Alters schauen glasig drein und erinnern sich an ihre Oma. Die Erlaubnis, einen Stopfpilz (franz.: champignon a repriser) zu halten, gilt als eine der Errungenschaften der französischen Revolution. Das scheint vergessen - unter allen Pilzen ist der Stopfpilz heute der mit Abstand rarste.

Selbsternannte Stopfpilzschützer stellen jährlich, wenn die großen Stopfpilzwanderungen beginnen, Warnschilder und Zäune an den Straßen auf, sammeln die Stopfpilze in Körbe und tragen diese über die gefährlichen Pisten. In den Forschungslabors der Firma INOX gelang jetzt erstmalig eine Nachzüchtung des Stopfpilzes, allerdings mit einem blauen Plastikhut und weißlackiertem Stiel (3.20 Mark bei Karstadt). Die Wildform dagegen hat einen roten Hut, der Stiel ist natur, beides Buche.

Interessiert sich überhaupt jemand für Stopfpilze? Vermutlich nein. Reden wir also über Falke-Socken. Falke-Socken sind sauteuer, aber nur, weil man durch den Kauf ein „Falken-Schutzprogramm“ unterstützt. Insofern steht man vor einer schweren Entscheidung: Greife ich zum Stopfpilz, kaufe ich weniger Falke-Socken. Was bedeutet: weniger Falken-Schutzprogramm. Ergo weniger Falken. Alternative: weniger Stopfpilze. Schon hat man die selbsternannten Stopfpilzschützer am Hals.

Mit der Entscheidung lasse ich Sie allein. Zum Trost ein exquisites Wortspiel, das man mit Gewinn bei sommerlicher Hitze vor sich hinmurmelt: „Gespenstische Wespenstiche“. Bitte bitte, keine Ursache. BuS

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