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Archiv-Artikel

Strafzölle machen US-Steaks teurer

Immer wieder bekommt die EU in Handelskonflikten mit den USA Recht – nur ändert sich meist nichts. Ab heute werden deshalb fast 2.000 Produkte made in USA mit Sonderabgaben belegt. Doch der schwache Dollar hilft US-Exporteuren

VON NICOLA LIEBERT

Für fast 2.000 amerikanische Produkte wie Fleisch, Papier, Textilien oder auch Nukleartechnologie muss in Europa bald mehr bezahlt werden. Die EU verlangt nämlich ab heute Strafzölle – mit dem offiziellen Segen der Welthandelsorganisation (WTO). Es ist der erste Fall in der Geschichte der WTO überhaupt, dass die EU in einem transatlantischen Handelsstreit derart massive Sanktionen einsetzt.

Die obersten Streitschlichter in Welthandelsfragen hatten bereits vor einem Jahr ein US-Gesetz für illegal erklärt, das amerikanischen Exporteuren massive finanzielle Erleichterungen einräumt, indem der Vertrieb der Produkte über Tochterfirmen in Steueroasen abgewickelt wird. Nach US-Kongress-Berechnungen konnte Boeing seit 1998 1,1 Milliarden US-Dollar an Steuern sparen, General Electric eine Milliarde und Microsoft eine halbe Milliarde. – Ein Wettbewerbsvorteil, dem europäische Firmen nichts entgegenzusetzen haben. Boeing bleibt von den aktuellen Strafzöllen allerdings ausgenommen. Europäische Zulieferer des Flugzeugbauers befürchten, sonst von Geschäften ausgeschlossen werden.

Die EU hatte den USA nach dem WTO-Urteil zunächst eine Frist von einem Jahr eingeräumt, um die Praxis abzustellen. Noch in der vergangenen Woche war EU-Außenhandelskommissar Pascal Lamy nach Washington gereist, um die USA zum Einlenken zu bewegen – ohne Erfolg. „Die Sanktionen werden am Montag beginnen“, sagte Lamy am Freitag, „es gibt keinen Weg mehr, dies zu verhindern.“

Die Daumenschrauben sollen langsam angezogen werden: Die Strafzölle fangen bei fünf Prozent an und erhöhen sich jeden Monat, den die US-Seite stur bleibt, um einen Prozentpunkt bis zur Obergrenze von 17 Prozent. Wirklich unter Druck gesetzt fühlt sich die US-Wirtschaft aber nicht. Denn der massive Wertverlust des Dollar hat amerikanische Exporte so billig gemacht, dass die Strafzölle dies kaum wettmachen.

Langsam setzt sich der Senat in Washington aber doch in Bewegung. Charles Grassley, Vorsitzender des Finanzausschusses, sprach sich dafür aus, die Steuersubventionen beim Vertrieb schrittweise abzubauen und durch eine Ermäßigung der Steuern auf Gewinne aus Auslandsgeschäften zu ersetzen. Doch der Gesetzentwurf kommt nicht voran. Erst muss er sich mit radikaleren Republikanern und einer schlagkräftigen Unternehmerlobby auseinander setzen, die dies zum Anlass nehmen wollen, gleich für alle US-Unternehmen die Steuern radikal zu senken. „Wir haben vor 230 Jahren einen Unabhängigkeitskrieg gekämpft, damit uns die Europäer nicht mehr unsere Steuern vorschreiben können“, schäumt der republikanische Sprecher des Abgeordnetenhauses, Dennis Hastert.

Die EU wiederum hat allen Grund, über einen US-Kongress genervt zu sein, der trotz eindeutiger WTO-Entscheidungen beanstandete Handelsgesetze in Kraft lässt. So hat erst am vergangenen Dienstag die WTO in einer anderen Sache der EU ebenfalls das Recht auf Strafzölle erteilt. In diesem Streit geht es um das amerikanische Anti-Dumping-Gesetz von 1916. Die WTO hatte das Gesetz schon vor vier Jahren für unzulässig erklärt.

Und auch der nächste Streit ist vorprogrammiert. Die EU wird – möglicherweise schon diese Woche – eine weitere Beschwerde bei der WTO einlegen. Der Grund: Die USA halten sich nach wie vor nicht an ein früheres Urteil, wonach der Staat seine Einnahmen aus Anti-Dumping-Verfahren als eine Art Subvention an die US-Hersteller weiterleitet.

Aber all das, beteuern beide Seiten, werde zu keiner großartigen Verschlechterung der Handelsbeziehungen führen. Kein Wunder, man ist gewöhnt zu streiten. Über genmanipulierte Pflanzen, die die EU nicht auf ihren Markt lassen mag. Oder über amerikanisches Hormonrindfleisch. Hier kassieren übrigens zur Abwechslung mal die USA von der EU Strafzölle.