Stipendien für Firmengründer: Der lange Weg bis zur ersten Million
Drei ehemalige Studenten der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft haben eine Firma gegründet - mithilfe eines Stipendiums.
Ein schlichter Raum in Köpenick-Schöneweide, wo Trambahnen auf langen geraden Straßen vor verlassenen Industriebauten halten: ein paar Tische, gebraucht gekauft, ein Drucker, ein Faxgerät und Flachbildschirme. In den Drehstühlen davor hängen drei junge Männer, erschöpft, erleichtert, erfolgreich. Markus Becker, 30, Sebastian Mönnich, 26, und Hardy Menzel, 27, haben den ersten Schritt geschafft: Sie haben ein eigenes Büro im Gründerzentrum in der Ostendstraße. Und eine eigene Firma - dank EXIST, eines Stipendiums des Bundeswirtschaftsministeriums für Existenzgründungen aus der Wissenschaft, auch Spin-offs genannt.
Zwei Jahre bastelten sie an ihrem Produkt, einer Umweltsoftware. Seit einem Monat steht ihre Firma EcoIntense im Berliner Handelsregister. Eine quälende Stunde hat die Notarin vorgelesen, wie das Unternehmen heißt, wem es gehört und was passiert, wenn einem der drei, denen es gehört, etwas zustößt. Dann drückte sie das Siegel auf die Firmenurkunde.
Bislang 43 Teams haben in Berlin seit 2005 ein staatliches Gründerstipendium, EXIST genannt, erhalten. Der Name ist irreführend, denn das Geld gibt es nicht für die Gründung, sondern deren Vorbereitung. Dazu gehört vor allem, die Geschäftsidee geschäftstauglich zu machen.
Einen Großteil der Förderzeit verwenden die Gründungsvorbereiter aber darauf, sich um eine Anschlussfinanzierung zu kümmern. Es ist ein Hangeln von Stipendium zu Stipendium: Firmengründung in Zeiten staatlicher Subventionierung. Die Unternehmer in spe sind meist männlich, haben Natur- oder Ingenieurwissenschaften studiert und kaum Probleme, eine feste Anstellung mit geregelter Arbeitszeit und gutem Gehalt zu finden. Trotzdem ziehen sie die Ochsentour vor, arbeiten sich in Betriebswirtschaft ein, wohnen in WGs, während ihre Exkommilitonen Firmenwagen fahren. Sie haben "ihr Produkt" und sie wollen es ganz groß rausbringen.
Nirgendwo in Deutschland werden so viele Gründer-Anträge bewilligt wie in Berlin - mehr als 75 Prozent aller deutschen Anträge. Und Berlin ist auch am erfolgreichsten, wenn es darum geht, dass junge Forscher ihre Ideen nicht nur auf dem Papier ihrer Masterarbeit, sondern auch am Markt umsetzen. Von den 43 EXIST-Stipendiaten oder Stipendiatenteams besitzen rund 25 ihre eigene Firma.
Rosige Zahlen. Sie stammen von Marcel Tilmann, dem Koordinator des Berliner Netzwerks B!GRÜNDET aus sieben Berliner Hochschulen. Unter www.begruendet-berlin.de können sich gründungswillige Forscher informieren, wie ihnen auf dem Weg von der Uni zum Unternehmen geholfen werden kann. "Die Ausgründung von Firmen an Universitäten ist in", sagt Tilmann. Inzwischen haben alle Berliner Hochschulen einen eigenen Beratungsdienst dafür eingerichtet. In den USA gibt es solche Einrichtungen schon lange. Zum Vergleich: Das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge meldet allein aus den letzten zehn Jahren 1.000 Spin-offs. Von der Gründung 1861 bis 1997 waren es 4.000 mit insgesamt 1,1 Millionen Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 232 Milliarden Dollar. Berlin ist davon noch ein Stückchen entfernt.
Das EXIST-Gründerstipendium gibt Einzelnen und Teams von maximal drei Personen für ein Jahr Geld. Während dieser Förderphase bleiben sie an den Universitäten. Die erfüllen ihnen zu günstigen Konditionen die Grundbedürfnisse: einen Arbeitsraum, Telefon- und Internetanschlüsse, Labors und Toiletten. Ein Hochschullehrer betreut das Projekt. Einfache Absolventen bekommen monatlich 2.000 Euro, promovierte 2.500. Außerdem können sie Sachmittel bis zu 17.000 Euro abrufen.
Erst danach stehen die richtigen Investitionen an für Büroräume, Werbungen und Mitarbeiter. Marcel Tilmann macht keinen Hehl daraus, dass sich der Gründer "finanziell auf eine lange Durstrecke einstellen" muss. Wer Glück hat, wie die Jungs von EcoIntense (siehe oben), bekommt den begehrten, mit 500.000 Euro dotierten Hightech-Gründerfonds. Aber die meisten, sagt Tilmann, bitten Freunde um Geld oder fragen die Oma.
In ihr Unternehmen sind sie "immer mehr reingerutscht", sagt Mönnich. Es begann mit dem Studium der Betrieblichen Umweltinformatik - eine Mischung aus Betriebswirtschaft, Umweltmanagement und Informatik, die nur an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) angeboten wird. Zum Curriculum gehört ein Praxisteil, bei dem die Studierenden in Berliner Unternehmen gehen und dort ein eigenes Projekt betreuen. Die drei waren 2005 bei einem Kunststoffbetrieb. Dort lernten sie sich kennen - und fanden ihre Idee: eine Software, die den Umweltschutz einer Firma eigenständig managt. Denn der Kunststoffbetrieb muss, wie alle anderen Chemieunternehmen in Deutschland auch, eine Menge Daten erheben und Berichte an die Kontrollbehörden verfassen, in denen steht, dass er die gesetzlichen Umweltstandards und die Umweltnorm ISO 14001 einhält.
Diese Norm besagt, dass sich jeder Betrieb Ziele setzen muss, wie er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt umweltfreundlicher wirtschaften will. Die Möglichkeiten reichen hierbei von der Wärmedämmung der Außentoilette bis zur Anschaffung teurer Maschinen, die schneller und effizienter arbeiten. Um den bürokratischen Aufwand gering zu halten und die verschiedenen Maßnahmen innerhalb eines Betriebs zu koordinieren, entwarfen die drei Studenten die Grundzüge eines Computerprogramms, das speziell mittleren Betrieben das Umweltmanagement erleichtern soll. Das kam bei dem Kunststoffmacher so gut an, dass die jungen Männer während ihrer Masterarbeiten nebenbei daran weitertüftelten.
Beim Rotwein kam dann der zündende Gedanke: Ihr Professor und späterer Mentor des Projekts, Horst Junker, erwähnte eines lauen Abends Anfang Mai 2006, dass sie sich mit ihrer Idee doch um ein Gründer-Stipendium beim Wirtschaftsministerium bewerben könnten. Im September 2006 kam die Zusage. "Am Anfang war das eine lustige Zeit, wir mussten einen Raum finden, uns ein paar PCs bestellen und nach Tischen suchen, wo wir die draufstellen", sagt Sebastian Mönnich und streicht über sein Kinn, als sei das alles Jahre her. Gründerstimmung, damals. Und eine Lehrzeit; über das Streiten zum Beispiel: "Im Studium war alles cool und locker; aber als hier dann drei verschiedene Meinungen aufeinandertrafen, flogen die Fetzen. Inzwischen haben wir es geschafft, eine gewisse Streitkultur aufzubauen", sagt Mönnich. Markus Becker kann dem nur zustimmen: "Wir sind ein starkes Team. Dazu gehört, dass man Streit aushält."
Austeilen, ohne dass es weh tut, war das eine; aufteilen, damit jeder seine Stärken ausspielen kann, das andere: Hardy Menzel ist der Programmierer. Er weiß doppelt so viel über die Sprache der Nullen und Einsen wie die Kollegen. "Deshalb hat er auch zwei Monitore", sagt Becker. Der mag den Jargon des Produktvertreters lieber als die Programmiersprache und ist für die Außendarstellung des Unternehmens zuständig. Sebastian Mönnich kümmert sich um Konzeption und Architektur der Software. Sie heißt "EcoWebDesk". In zwei Betrieben läuft sie in einer Pilotversion, Ende dieses Jahres sollen die ersten Bestandteile des Programms produktreif sein.
Dann soll auch endlich Geld fließen - allerdings immer noch nicht von Aufträgen, sondern von Anträgen. Sie haben sich um den Hightech-Gründerfonds des Bundeswirtschaftministeriums beworben, der mit 500.000 Euro dotiert ist. Damit werden Kunden geworben, Leute eingestellt und wird umgezogen. Die Ärmel bleiben aufgekrempelt, aber mit Manschetten dran. Becker: "Wir müssen nicht an den Potsdamer Platz, aber nach etwas aussehen sollte der Laden dann schon."
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