Steuerstreit: Merkels Tauschgeschäfte
Auf dem Bildungsgipfel will der Bund den Ländern helfen, auch mit dubiosen Rechentricks. Das soll ihnen das Ja zu Subventionen für Familien und Hoteliers erleichtern.
Ihren Extra-Auftritt haben die beiden nun gehabt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Bundesland die geplanten Steuersubventionen für Familien und Hoteliers am Freitag im Bundesrat ablehnen werde, sei "kleiner geworden", sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). "Die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung ist größer als gestern", formulierte der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki genau spiegelverkehrt.
Beide hatten den Sonntagnachmittag im Berliner Kanzleramt verbracht, um mit Regierungschefin Angela Merkel (CDU) und ihrem Vize Guido Westerwelle (FDP) Kompensationen für die Bundesländer durchzusetzen. Beide beteuerten, dass es ihnen dabei nicht um Vorteile allein für Schleswig-Holstein gehe, sondern für die Länder insgesamt. Für den Fall einer Lex Kiel hatte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) seinerseits mit Ablehnung gedroht. Union und FDP in Berlin sind für das Gesetz auf die Zustimmung aller schwarz-gelben Regierungen angewiesen.
Die turnusgemäßen Sitzungen der CDU-Gremien an diesem Montag wurden wegen des Konfliktthemas eigens länger angesetzt als üblich. Mit einer endgültigen Einigung wird aber nicht vor dem "Bildungsgipfel" gerechnet, zu dem sich Merkel an diesem Mittwoch mit den Ministerpräsidenten trifft. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft deutete die Kanzlerin am Wochenende bereits an, welches Geschäft sie sich vorstellen kann. "Wir werden mit den Ländern vereinbaren, inwieweit wir bei der Erreichung des Ziels behilflich sein können, 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2015 für Bildung auszugeben", sagte sie.
Zu diesen Hilfen zählt offenbar nicht nur Geld, sondern auch der eine oder andere Rechentrick. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel will die Regierung den Ministerpräsidenten erlauben, 10 Milliarden Euro pro Jahr für überwiegend fiktive "Unterbringungskosten" von Kitas, Schulen und Hochschulen in ihre Bildungsbilanz einzustellen. Meist sind solche Einrichtungen in Immobilien untergebracht, die der öffentlichen Hand ohnehin gehören.
Der Deal würde die Länder ohne einen Cent an Mehrausgaben dem Ziel näherbringen, 10 Prozent des Sozialprodukts für Bildung auszugeben. Da trifft es sich, dass der Gipfel praktischerweise zwei Tage vor der entscheidenden Bundesratssitzung angesetzt ist. Carstensen und Kubicki könnten etwaige Vorteile für die Länder als eigenen Erfolg ausgeben. Die Bundesregierung hätte Geld gespart und obendrein der Ankündigung Genüge getan, kein Bundesland aus der Reihe der Gesetzesgegner herauszukaufen.
Vor allem könnte sie sich mit einem Ja der Länderkammer über den Jahreswechsel schleppen. Ein Scheitern des Gesetzes im Bundesrat wäre das in der Sache zwar gut, wie auch Politiker von CDU und FDP mehr oder weniger offen zugeben. Es wäre aber schlecht für das Erscheinungsbild einer Regierung, die zumindest bis zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai über eine eigene Bundesratsmehrheit verfügt.
Wegen ihrer Reise zur Klimakonferenz nach Kopenhagen kann Merkel anders als sonst üblich die CDU-Ministerpräsidenten nicht beim Kamingespräch am Abend vor der Bundesratssitzung ins Gebet nehmen. Aber bis dahin sind nach dem angepeilten Fahrplan die Hindernisse ohnehin aus dem Weg geräumt. Zumal Merkel darauf hoffen mag, dass die unschönen Koppelgeschäfte in der Steuer- und Bildungspolitik hinter dem medialen Rummel um den Abschluss der Kopenhagener Verhandlungen verblassen, sobald sie vom Bildungs- auf den Klimagipfel eilt.
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