Stefan Alberti kriegt Post vom Finanzamt: All die neuen coolen Jobs
Da lag jetzt dieser längliche gräuliche Umschlag im Briefkasten. Durchs Adressfenster war schon erkennbar: der Steuerbescheid fürs vergangene Jahr. Die übliche Post vom Finanzamt also? Nicht ganz. Hinten drauf war dieser neue Stempel: „Die Unbestechlichen“. Gleich mal gegoogelt. Tatsächlich: Auch die Berliner Finanzverwaltung gehört jetzt zu den Behörden, die ihre Arbeitsplätze als die schier coolsten Jobs überhaupt verkaufen. „Komm zu uns, wir sind: Die Unbestechlichen“, steht auf der Internetseite auf einem Bild mit drei jungen Leuten um die 20 und drunter: „Werde Finanzbeamter/in“.
Bislang machte das etwa der Zoll. „Du ziehst Drogenkuriere aus dem Verkehr“, hat der auf eins seiner Nachwuchswerbeplakate geschrieben und zeigt einen lässig wirkenden Mittzwanziger mit Dutt und Bart. Oder die Bundeswehr: „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst.“
Nun also die Finanzverwaltung, bislang eher mit dem Etikett „nüchtern bis dröge“ behaftet. Die Kategorie „Die Unbestechlichen“ legt da etwas ganz anderes nahe – nämlich ein Amt voller Wiedergänger von Kevin Costner, Sean Connery und Andy Garcia. Für alle, die mit Serien statt Kinofilmen und Fernsehen groß geworden sind: Das sind oder waren Schauspieler, die richtig coole Typen darstellten, James Bonds, Wolfsbändiger oder Robin Hoods, und die das 1987 mal zusammen taten. Da hatte Regisseur Brian De Palma sie nämlich zu einem grandiosen Film zusammengeholt. Der erzählt, wie ein paar wenige äußerst entschlossene Ermittler und Finanzfachleute den Mafia-Boss Al Capone ins Gefängnis brachten. Der wiederum im Film mit Robert De Niro ebenfalls herausragend besetzt ist.
Wieso das tatsächlich etwas mit dem Berliner Finanzamt zu tun hat? Weil der Chef der Ermittlergruppe, gespielt von Costner, von der Prohibitionsbehörde kommt, die dem Finanzministerium zugeordnet ist. Und weil seine Gruppe Capone nicht wegen vielfachen Mordes, der nicht gerichtsfest nachweisbar war, sondern wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter bringt. Das aber dann doch für elf Jahre.
Im amerikanischen Original heißt der Film übrigens „The Untouchables“ – also übersetzt „Die Unberührbaren“. Denn der Titel „Die Unbestechlichen“ war schon seit 1976 vergeben, für den Journalistenklassiker „All the President’s Men“ über die Watergate-Affäre. Eine Verwechslung würde hier aber gar nicht schaden: Einem US-Präsidenten Amtsmissbrauch nachzuweisen braucht mindestens genau so viel Ausdauer, wie Steuerhinterziehung aufzudecken.
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