Schreiben jetzt schon Praktikanten für die taz? Oder ist die Qualität der Berichte inzwischen wirklich derart mies? ein Lehrstück was jornalistische Quallität ist findet sich erstaunlicherweise auf n-tv : "
Donnerstag, 29. Mai 2008
Die Gysi-Debatte
Ein Mann im System DDR
Von Solveig Bach
Seit 1992 wird Gregor Gysi immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen und habe Mandantenverrat begangen. Auch der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages stellte im Mai 1998 fest, dass nach der ihm bekannten Aktenlage Gregor Gysi für das MfS als IM gearbeitet habe. Gysi habe "sich in die Strategien des MfS einbinden lassen, selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben", heißt es im Abschlussbericht. Dies streitet Gysi jedoch ab und klagt immer wieder vor Gericht gegen diese Anschuldigungen.
"Rote Aristokratie"
Die sehr emotional geführte Debatte um Gysi macht wieder einmal deutlich, dass man im Umgang mit der DDR-Vergangenheit nicht mit einfachen Schwarz-Weiß-Schemata weiter kommt. Gregor Gysi wurde 1948 in Berlin geboren. Er wuchs in einer jüdisch-kommunistischen Funktionärsfamilie auf. Sein Vater, Klaus Gysi, war Botschafter, Kulturminister und Staatssekretär für Kirchenfragen. Von 1966 bis 1970 studierte Gregor Gysi Rechtswissenschaften, wurde 1967 Mitglied der SED, promovierte 1976 über "Die Vervollkommnung des sozialistischen Rechts im Rechtsverwirklichungsprozeß" und arbeitete ab 1971 als einer der wenigen niedergelassenen Rechtsanwälte in der DDR. In dieser Funktion verteidigte er ab 1978 auch Systemkritiker wie Rudolf Bahro, Robert Havemann, Ulrike Poppe und Bärbel Bohley.
Teil des Systems
Gysi ist ein Kind der DDR-Nomenklatura, in ihrem Wertekanon ist er aufgewachsen. Er dürfte kaum Hemmungen gehabt haben, mit staatlichen Organen der DDR zu reden. In der aktuellen Stunde im Bundestag betonte Gysi, er habe lediglich mit der Abteilung Staat und Recht des Zentralkomitees der SED gesprochen. "Kontakte zur Staatssicherheit entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde." Weder "willentlich" noch "wissentlich" habe er mit der Stasi zusammengearbeitet. Alles, was einen normalen DDR-Bürger zur Zusammenarbeit mit der Stasi bewegen konnte, hatte Gysi irgendwie schon. Er dürfte kaum erpressbar gewesen sein, es gab kaum etwas, was sich nicht mit einem Anruf des Vaters hätte reparieren lassen. Der fiel zwar immer mal wieder in Ungnade, verspielte aber nie gänzlich die Gunst der SED.
Jene väterliche Mischung aus Aufmüpfigkeit und Opportunismus machte sich auch der Sohn zu eigen. Auch seine Eitelkeit konnte er bereits als Dissidentenanwalt ausreichend ausleben, an einer zu großen Gemeinsamkeit mit dem Staatsapparat dürfte ihm ansonsten schon deshalb kaum gelegen haben, weil er sich den meisten Funktionären intellektuell überlegen fühlte.
Ohne Stasi ging es nicht
Dennoch hatte Gysi natürlich Kontakt zur Stasi, einfach, weil die DDR so war, wie sie war. Beim Zusammenbruch der DDR hatte das Ministerium für Staatssicherheit 85.500 hauptamtliche Mitarbeiter. Da war es schon für eine Konsum-Verkäuferin nur eine Frage der Zeit, wann sie mit der Stasi in Kontakt kam. Gregor Gysi aber verteidigte Rudolf Bahro und war zum Pflichtanwalt des Dissidenten Robert Havemann bestimmt worden. Und kein Widerwort gegen die DDR blieb langfristig von der Stasi unbeachtet. Auch Gysi selbst kann sich also kaum eingebildet haben, dass das MfS ausgerechnet an seiner anwaltlichen Tätigkeit kein Interesse hatte.
Die DDR war kein Rechtsstaat, es gab jede Menge Straftatbestände, die nur dazu geschaffen worden waren, Kritiker massiv abzustrafen und Prozesse zu führen, in denen Gefängnisstrafen von vornherein feststanden. Die Kulisse aus Staatsanwalt, Richter, Anwalt der Verteidigung und Schöffen wurde dabei eingehalten, aber der Verteidiger wusste nur zu gut um seine Grenzen. Freispruch war kaum eine Option, es ging eher um Schadensbegrenzung oder um einen zügigen Weg in den Westen. Wer sich bei diesem Machtpoker vertat, riskierte unter Umständen seine Anwaltszulassung. Es galt, mit einem möglichst langen Löffel vom Teller des Teufels zu essen.
Anständiger Versuch
Gysi mag versucht haben, wie ein bürgerlicher Anwalt zu agieren. Die Wertschätzung der Dissidenten-Söhne Havemann und Bahro spricht zumindest für ihn. "Unabhängig von der Frage, ob Herr Gysi IM war, was ich nicht beurteilen kann, hat er im Sinne unseres Vaters gehandelt", sagte Florian Havemann der "Mitteldeutschen Zeitung". "Unser Vater wollte über Gregor Gysi eine Verbindung zur Parteiführung herstellen. Das ist ihm gelungen. Ab dem Zeitpunkt, als er Anwalt unseres Vaters war, hat es keinen Prozess mehr gegeben." Wären Gysis damalige Mandaten wie sein Vater nicht tot, "wären sie ihm jetzt ganz sicher beigesprungen," sagte Andrej Bahro.
Havemann hat laut seinem Sohn in Gysi seinen "Postboten" zum ZK gesehen. Dabei muss man berücksichtigen, dass viele Dissidenten frühere SED-Mitglieder waren, denen es noch immer darum ging, mit den Genossen von einst im Gespräch zu bleiben. Solche "Verstoßenheitsgefühle" lassen sich heute kaum noch nachvollziehen, waren aber in den kommunistischen Parteien verbreitet. Gysi hat im Bundestag betont, er habe viel für Havemann geleistet. Auf DDR-Art hat er den Verfolgungsdruck auf Havemann gemildert. Diese Art ist aus der Sicht eines geeinten Deutschlands im Jahr 2008 absurd, das liegt vor allem daran, dass die DDR absurd war. Ein Land, das Kritik nur in Form von Eingaben akzeptierte, wenn überhaupt. Ein Land, in dem sich Schuldirektoren für die Zahl der Mittag-essenden Kinder rechtfertigen mussten. Ein Land, das nach Mechanismen funktionierte, die sich heute einfach kaum noch erklären lassen.
Gregor Gysi wäre gut beraten, seine Sicht der Dinge darzustellen. Nicht auf dem Klageweg, nicht als ideologische Masche seiner Linken, sondern in der Komplexität und Differenziertheit seines 60-jährigen Lebens, in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland. Dabei käme dann vielleicht eine Wahrheit zu Tage, die über das platte IM oder Nicht-IM hinausginge und die das Mysterium DDR ein wenig mehr enträtseln würde. Das wäre doch mal ein neuer Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Und Gregor Gysi wäre wahrscheinlich derjenige, der das damit beinahe zwangsläufig verbundene Eingeständnis von Schuld authentisch vertreten könnte.
ich hätte mir gewünscht einen Artikel dieser Qualität in der taz zu lesen, aber mir scheint die taz versteht sich inzwischen als Sprachorgan von Bündnis 90 die grünen und da hat ein differenzierter Artikel natürlich keinen platz ( mehr) schade!
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