: Startschuß in gesamtdeutsche Galopper-Zukunft
■ Neuer Wetten-Rekord am Wochenende in Hoppegarten
Berlin (dpa) - Der Start in eine gesamtdeutsche Galopper -Zukunft hätte kaum glanzvoller sein können. Die weltberühmte Rennbahn Hoppegarten jenseits der östlichen Stadtgrenze von Berlin war wieder das deutsche Galopper -Mekka. Mehr als 40. 000 Zuschauer, so stellte Hoppegarten -Chef Artur Boehlke in den Annalen fest „hat es zum letzten Mal 1936 beim Großen Preis der Reichshauptstadt gegeben“. Unter den Fachleuten war der gesamte Galopper-„Adel“ aus Ost und West.
Sportlich war die Überlegenheit der Galopper aus der Bundesrepublik eindeutig. Sie gewannen alle sechs gemeinsamen Rennen, keins der DDR-Pferde konnte ins Geld reiten. „Wir hatten geglaubt, bei 14 Kilo Vorteil beim Gewicht eine Chance zu haben“, gestand Boehlke hinterher. DDR-Jockey Toni Ruckhaber nannte es „deprimierend, daß wir trotzdem nur hinterherreiten“. Der Hoppegartner Finanzchef Egon Albrecht brachte es auf den Punkt: „Wir müssen einfach akzeptieren, daß wir um Klassen schlechter sind.“
Zum „Champion von Hoppegarten“ wurde der 25jährige Peter Schiergen aus Krefeld, zweiter Reiter im Stall von Trainer Heinz Jentzsch, der viermal das Siegespferd sattelte, darunter in dem mit 30.000 Mark dotierten Hauptereignis Procorum. Noch mehr Beifall erhielt jedoch Lutz Mäder für seinen Sieg im ersten Rennen, das nur DDR-Pferden vorbehalten war. Der ehemalige DDR-Lehrlingschampion war 18 Jahre nach seinem Wechsel in die Bundesrepublik an die Stätte früheren Wirkens zurückgekehrt und triumphierte - so der Rennbahn-Sprecher - in diesem „sporthistorischen Ereignis“.
Doch weit wichtiger als sportliche Erfolge waren für die DDR-Galopper die Hoffnungen für die Zukunft. Daß ausgerechnet Heinz Jentzsch, der erfolgreichste Trainer aus der Bundesrepublik, feststellte: „Hoppegarten könnte wieder ein Zentrum des deutschen Galoppsports werden“, war für alle „Balsam auf die Seele“. Und Hein Bollow, in Hoppegarten geboren, jetzt in Köln lebendes „Galopper-Denkmal“ stellte fest: „Es gibt doch keine andere Anlage mit solchen Trainingsmöglichkeiten.“ Deshalb hoffen alle auf weitere Meetings.
In der allseits begeisterten Atmosphäre übersah man gern, daß - so Jentzsch mit Blick auf die Gebäude - „die Zeit stehengeblieben und an ihnen der Zahn der Zeit genagt hat“. Schließlich schimmerte der alte Glanz noch überall durch, machte die Faszination von Hoppegarten deutlich. Die Alten, unter ihnen Jentzsch, Bollow, Willi Schultheis oder der heute noch neben der Rennbahn wohnende Walter Zimmermann, vor mehr als 70 Jahren in Hoppegarten geboren, und die Aktiven wie Ruckhaber oder die Amateurrennreiterin Ines Raabe aus Georgenthal in Thüringen fanden immer wieder nur das eine Wort: „Fantastisch!“
Einen neuen Rekord gab es auch bei den Wetten. 620.000 Mark lautete der bisherige Höchststand, den DDR-Besucher eingesetzt hatten. Diesmal waren es 653.000 Mark, zu denen noch 495.000 D-Mark kamen. Dabei zeigte es sich, daß die „Zocker“ aus West und Ost über fast gleichen Fachverstand verfügen - die Quoten ähnelten sich sehr.
Nicht nur deshalb war Boehlke mit dem Renntag zufrieden. „Glücklich sein kann ich jedoch nicht, mir sind einige kleine Unzulänglichkeiten bei der Versorgung nicht entgangen“, fügte er hinzu. Doch gleichzeitig wünschte er: „Wiederholungen müssen sein.“ Daß dafür Sponsoren erforderlich sind, verschwieg er nicht.
Gerd Lemke
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