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■ StandbildBesseresser

„Das Haar in der Suppe – Lust und Frust in deutschen Küchen“, Sonntag, ZDF, 22.10 Uhr

Als ich 1984 die Diktatur der Sättigungsbeilagen verließ, sprach mich kurz nach Grenzübertritt eine ältere Frau an: „Sie sind aus der Zone, stimmt's?“ Als ich wissen wollte, wie sie darauf komme, sagte sie trocken: „Sie sehen aus wie mein verstorbener Mann, als er aus russischer Kriegsgefangenschaft kam. Bei den Kommunisten ist noch keiner fett geworden!“

Das wollte ich so nicht stehenlassen. Spontan fielen mir viele Arbeiter und Bauern ein, die trotz Planwirtschaft einen Wohlstandsbauch ihr Eigen nennen. Doch die Frau hörte gar nicht hin, sondern freute sich für mich, daß mein Hungern jetzt ein Ende hätte. Ich sollte gleich ins KaDeWe gehen, in die größte Eß-Etage Europas. Dort würde ich Früchte sehen, von denen ich nicht einmal wissen würde, wie ich sie essen sollte...

Doch mit den Jahren lernte ich dazu, und heute weiß wohl auch der letzte Zoni, wie man eine Kokosnuß knackt oder eine Mango schält.

Über die deutschen Eßgewohnheiten seit 1945 hätte man einen lustigen Film machen können. Statt dessen hängte das ZDF dem Zuschauer einen 45-Minuten-Schinken vor die Nase, in dem Autor Gero von Boehm mittels seines Hauptbelastungszeugen, dem selbsternannten Gourmet und „Berufsesser“ Wolfram Siebeck, die Deutschen als sauerkrautbehangene Eisbeinjäger aburteilte.

Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, von Veränderungen, Experimenten oder Trends auf der jetzt großdeutschen Speisekarte zu berichten, ließ Boehm lieber den Besseresser Siebeck im Kreise von Starköchen (darunter auch der Chef de Saumagen des H.K.) über sich selbst als Elite und den allgemeinen Verfall der Eßkultur philosophieren. Beweis: Am liebsten stehen die Deutschen am Imbiß und essen Currywurst. Na so was!

Ins Schwärmen gerieten die beiden dagegen über die französischen Küche. Selbige lieben der Autor und sein Zeuge über alles, weshalb sie den größten Teil der Dreharbeiten nach Paris verlegten und dort die Produktionskosten vor laufender Kamera in die Höhe speisten. Nur dem Haar in der Suppe löffelten sie dort vergeblich hinterher, und wer sich an Lust und Frust in deutschen Küchen satt sehen wollte, der blieb mit knurrendem Magen auf der Strecke – verhungert in der ersten Reihe. Torsten Preuß

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