Standbild: Erst der Petro-Dollar, dann die Moral
■ Die Rache der Prinzen, ARD, Dienstag, 21.30 Uhr
Mit großen Ohren vor einer noch größeren Satelliten-Schüssel berichtete der ARD-Korrespondent Patrick Leclercq von der Golfkriegs- Front. Nun ist er zurückgekommen, um das Ergebnis von „Desert Storm“ zu sichten — keine Opfer, kein Kriegselend, keine Ölkatastrophe mehr, und dennoch, seine Reportage aus Kuwait ist niederschmetternd. Am Feudalsystem der Herrscherfamilie hat sich kein Jota geändert, freie Wahlen, wie sie die Amerikaner als Bedingung für ihr Eingreifen forderten, hat es nicht gegegeben. Daß zum anvisierten Termin etwas anderes als eine Wahlfarce stattfindet, glaubt, so Leclercq, niemand. Demokratische Rechte und Meinungsfreiheit sind nach wie vor ein Fremdwort, Zensur findet statt, und da 90Prozent aller Kuwaitis beim Staat angestellt sind, ist mit großen Protesten nicht zu rechnen. Mit der Opposition wurde rigoros abgerechnet, mit Säuberungsaktionen gegen Palästinenser, Jemeniten, Sudanesen und all jenen Oppositionellen, die Iraks Angriff auf den Petro-Feudalismus nicht ganz unberechtigt finden wollten. Ganz ausländerfrei kann der Emir sein Reich zwar nicht machen — sämtliche Arbeit in Kuwait wird nach wie vor von Immigranten aus der Dritten Welt erledigt — doch ohne einen Bürgen darf kein Fremdarbeiter einreisen.
Das Regierungs-Konzept: „Wohlstand statt Demokratie“, und um die Wunden seiner betuchten Landeskinder, die den Krieg vor dem Fernseher im Ausland verfolgten, schneller heilen zu lassen, hat der Emir ihnen sämtliche Bankschulden erlassen. Leclercq zitiert ein „hartnäckiges Gerücht“: der erste Frachter, der nach dem Krieg anlegte, soll statt Hilfsgütern Luxus-Limousinen an Bord gehabt haben. Kuwait erweist sich auch ansonsten für die Befreier als gutes Geschäft: die Reparatur der Ölförderanlagen ist fest in amerikanischer Hand, der Markt für Militär-Güter brummt, und außer den USA dürfen auch England und Frankreich auf lukrative Trainingsverträge für die kuwaitische Truppe hoffen. Wo das Business derart stimmt, ist mit Sanktionen nicht zu rechnen — die Milliarden der Herrscher reichen nicht nur, die inländischen Opposition mit Luxus-Maulkörben auszustatten, auch die internationalen Geschäftspartner werden kleinlaut, wenn die Kasse stimmt. Ist das die Freiheit, die die Kriegsbefürworter der westlichen Welt meinten? Aber ja doch. Leclercqs Reportage läßt keinen anderen Schluß zu: Erst kommt der Petro-Dollar, dann die Moral. Daß es zu Mobilmachungszeiten genau umgekehrt klang, ist längst Schnee von gestern. Das Völkerrecht auf Feudalismus ist wiederhergestellt. Mathias Bröckers
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