Standbild: Apokryphelei
■ "Judith", Montag, 19.30Uhr, ZDF
Für das „Jahr der Bibel“, in dem wir uns gerade befinden, hat sich auch das ZDF beizeiten gerüstet. Ursprünglich zur Ausstrahlung in der Karwoche bestimmt, lief gestern der erste von drei Filmen, die versuchen, biblische Frauengestalten in die Gegenwart zu übertragen.
Vor „Sara“, Abrahams Frau, und „Anna“, der Mutter Marias — unseres Wissens eher sanftmütige Charaktere — steht Judith. Um ihr Volk zu erretten, enthauptete sie Nebukadnezars Feldherrn Holofernes mit seinem eigenen Schwert — nachdem sie ihn verführt und betrunken gemacht hatte. Die auf der Stadtmauer aufgepflanzte Trophäe schlug das dieserart kopflos gewordene feindliche Heer in die Flucht. Abgründige Geschichte einer Rettung: Aufopferung und Tyrannenmord neben weiblicher List und Unberechenbarkeit.
Die Filmautoren (Buch: Dorothée Dahn, Regie: Konrad Sabrautzky) machten aus Judiths Geschichte einen platten Politkrimi, der unter der Last seiner biblischen Vorlage zusammenbrach.
Frühjahr 1989: Judith ist exilierte Rumäniendeutsche, der bis dato noch unangefochten delirierende Ceausescu ist Nebukadnezar und Holofernes einer seiner Securitate- Schergen, verantwortlich für die Ermordung von Judiths Mann. Anläßlich einer Handelsmesse treffen sie einander wieder, Rosalescu getarnt als Leiter der angereisten rumänischen Delegation. Sie erkennen sich: viel zu tiefe Blicke. Machtgewohnt und die Aussicht auf ihre definitive Demütigung und Unterwerfung sichtlich genießend, ordert er sie auf sein Zimmer. Judith erkennt ihre Bestimmung und folgt der Anmaßung: viel zu schwere Worte. Mit biblischer Sorgfalt bereitet sie sich auf die Exekution vor: viel zuviel Nivea- Creme. Sie tötet ihn mit einem Tranchiermesser, einem Geschenk für den Conducator, versehen mit dessen Initialen: Viel zuviele gebrochene Rosen.
Vielleicht liegt es daran, daß der Kopf diesmal in einem blauen Müllsack landet und dementsprechend entsorgt wird. Aus politischen Gründen bleibt auch die Tat ohne Öffentlichkeit, und Judiths Hoffnung und Legitimation, das rumänische Volk aufzurütteln, ist gescheitert. Der Rest ist persönliche Rache.
Totschweigen sei ein Instrument politischer Macht: Die Zentralthese des Films ist zugleich auch seine Voraussetzung. Ohne die Rückdatierung wäre der Film wohl kaum gedreht oder gesendet worden. Das wäre dann doch zu abgründig. Barbara Häusler
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