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StandbildMythos vom weiblichen Larvenstadium

■ "Mädchen...wie sie erzogen werden", arte, Di., 20.40 Uhr

Was ist ein Mädchen?“ Rund um diese schlichte wie bescheuerte Frage bastelte arte einen sogenannten Themenabend. Drei Stunden lang drehte sich alles um den zähen Mythos des weiblichen Larvenstadiums. Da die Features und künstlerischen Kurzfilme schließlich nicht von einem verschwitzten Männerstammtisch gedreht wurden, sondern von weiblichen Medienprofis, offenbarte sich peinlicherweise, daß die arte-Frauen auf die kulturelle Verklärung und Verrätselung der weiblichen Pubertät genauso hereinfallen können wie Männer, die etwa nach der besonderen Erlebnisqualität der ersten Periode fragen würden. Die wenigen jungen Mädchen, die den Mund selbst aufmachen durften, hatten für die erwachsenen Fragerinnen dann auch vor allem eine unterschwellige Botschaft: Eure Fragen und Kategorien sind echt euer Problem. Als eine Interviewerin wieder einmal nach der tieferen Bedeutung des Mädchenseins bohren wollte, fragte eine Internatsschülerin zurück: „Meinen Sie gynäkologisch?“

Aber trotzdem, es war nicht alles gräßlich und degoutant an diesem Themenabend. Die Exkursion in ein französisches Mädcheninternat, in dem noch heute der Erziehungskodex aus der Zeit König LudwigsXIV. gilt, war kulturhistorisch interessant. Was aber leider nicht zu erfahren war: wie sich die heutigen Elevinnen mit Gehorsam oder Aquarellieren im modernen Berufsleben durchschlagen sollen. Oder ob sich das Problem für die höheren Töchter aus reichen Familien vielleicht sowieso erübrigt.

Nach dieser jahrhunderteschweren Erziehungs- und Anpassungsarbeit am weiblichen Geschlecht kam dann ein bißchen soziale Devianz: mit dem Porträt einer jungen, schwangeren Taschendiebin im Knast. Aber auch da wäre etwas mehr Analyse gut gewesen. Am Ende der neugierigen Befragung war die Siebzehnjährige zur Leinwandfigur geworden, zur schlitzohrigen, lebensklugen Heldin aus einem charmanten Gaunerfilm. Richtig zum Gernhaben, aber fast schon unwirklich.

Dann, oje, folgte ein tiefes Tal der Langeweile mit dem französischen Spielfilm „Im zarten Alter“: Beziehungsknatsch unter Teenies à la Eric Rohmer, bloß ohne Ironie. Am Ende jedoch rappelte sich der Themenabend noch zu einem späten Höhepunkt auf: Das Porträt von drei Frauengenerationen einer Familie wie der witzige Kurzfilm von Noémie Lvovsky kümmerten sich nur peripher oder höchst ironisch um die leidige Mädchenfrage. Das im arte- Pressetext angedrohte „Universum, in dem Schamhaftigkeit und Kühnheit (...) dicht beieinanderliegen“, ließen sie einfach außen vor. Friederike Meyer

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