■ Standbild: Nostalgiewelle
„Themenabend Radio Day“, arte, 20.40 Uhr
„Der Rundfunk spornt die Phantasie des Zuhörers an.“ Wer vor dem Fernseher die Augen verschloß, fand sich schnell auf der „route national“ wieder, auf einer dieser zahlreichen Frankreich-Durchreisen, die unwillkürlich von dem nicht enden wollenden Singsang französischer Rundfunkmoderatoren begleitet sind. Im Unterschied zu den Gewohnheiten französischer Radiosender kehrte man während des Themenabends im Kulturkanal nur für Momente zur plaudernden Studiorunde zurück. Und das war gut so.
Hauptbestandteil des Programms bildeten die sechs Filmbeiträge, in denen die Kultur- und Alltagsgeschichte des Radios aus verschiedenen Perspektiven reflektiert wurde. Das geschah mal recht kühl, wie bei Gustav Hamos, der mit seinem Video-Hörspiel „Zu jung, um zu sterben“ den klassischen Durbridge-Krimi mit der Langeweile seiner Zuhörerschaft konfrontiert und die Phantasie dem Assoziationsreichtum eines Psychoanalytikers überläßt; mal ganz spannend, wie in Balint Horvaths' „Macht ohne Gesicht“: Mittels einer am Ungarn-Aufstand angelegten Chronik porträtiert Balint den Rundfunk als Medium, wie es sowohl den politischen Machthabern zu Propagandazwecken als auch den Kräften des Widerstands zur Organisation illegaler Aktionen dienen kann. Durch originelle Funde aus dem Archiv verlagerte sich der arte-Schwerpunkt etwas zu stark auf nostalgische Gefühle. Das Massenmedium Radio wurde als Hintergrund-Dudler unserer Tage vernachlässigt.
Aktuelle Aspekte, wie sie im Beitrag von Theo Roos (der die digitale Musiktechnologie als den partiellen Tod der Rockmusik beschreibt) und in Kreimeiers Radio Geschichte(n) angesprochen wurden, verhallten im Nirwana der Klänge. Auch den Radio-Fachleuten der Studiorunde fiel zur schönen alten Zeit mehr ein als zum Rundfunkjournalismus der Gegenwart.
Unfreiwillig repräsentierten sie sich dabei als Archetypen ihres Berufsstandes: von der Romantikerin, die vom Radio als dem Medium für Bildung und Hintergrund träumt, über den (Alt-)Linken, der gelernt hat, mit frustrierenden Einsichten umzugehen, bis zum Zyniker, der vor allem ironische Kommentare verfaßt.
Trotz ein paar verpaßter Gelegenheiten fügte sich der „Radio Day“ zu einer spannenden Kakophonie, die gegenüber der inzwischen alles beherrschenden Kurzform ihre Reize hat. Martina Stork
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