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StandbildDompteur-Pose

■ "Herrmann - Talk-Show für Sie", Sat.1, werktags, 11.55 Uhr

„Herrmann – Talk-Show für Sie“, Sat.1, werktags, 11.55 Uhr

Herrmann heißt er, der große Blonde, der schon für viele Sendungen den Strahlemann abgegeben hat: für „Bingo“, den Sport im Rias und das Frühstücksfernsehen. Seit Montag darf der gelernte Verkäufer für Maschinen in der fleischverarbeitenden Industrie nun „Talk- Show für Sie“ moderieren: „Herrmann“. Ein feiner Aufstieg für den smarten Mann – zumal er sich tapfer schlägt.

Das Konzept ist alt und kostengünstig dazu: eine Lebensfrage oder ein menschliches (Psycho-)Problem, Betroffene, die ihre wahre Geschichte, den erschütternden Fall erzählen, ein bis zwei Experten, die das Ganze sozial und psychologisch einzubetten wissen, sowie eine Handvoll Studiogäste, die den Mut haben, im richtigen Moment eine Frage zu stellen. Nach dieser Machart beschicken auch die Hörfunksender einen Teil ihrer Programme. „Herrmann“ ist also nichts anderes als das gute alte Radio mit Bild, dem es damit das Morgenpublikum wegschnappen will. Fernsehmäßig wenig ergiebig. Daß Detlev, der einmal an Höhenangst litt und am Montag Gast bei „Herrmann“ war, frisch vom Friseur kam und nett lächelte, kann doch wohl kaum von allgemeinem Interesse sein. Oder sollte es sich immer noch nicht herumgesprochen haben, daß Menschen mit Phobien weder häßlicher noch dümmer sind als andere? Davon abgesehen, kommt diese Art der Lebenshilfe immer gut an. Auch wenn zum Kummer des Publikums keine praktischen Tips gegeben werden.

Ob im Hörfunk oder im TV, diese Talk-Runden leben von der Moderation, und was Wolf- Dieter Herrmann zum Auftakt geboten hat, kann sich sehen lassen: solides Handwerk. Gut vorbereitet auf sein Thema Phobien, stellte er klare, präzise Fragen und konnte die Fallberichte geschickt miteinander verknüpfen. Siehe da: Er schaffte es auch ohne sein Verkäuferlächeln.

Was störte, war nur die übliche Kumpanei. Weil bei den Privaten alles privatisiert wird, läuft auch bei „Herrmann“ alles per du. Das soll wohl Nähe ausdrücken. Dem widerspricht allerdings, daß die Moderatoren ihre Sendungen im Stehen abhalten müssen, damit die auf Stühle gebannten Gäste zu ihnen aufblicken können. So posierte auch Wolf-Dieter Herrmann als Dompteur vor seinen Schäfchen. Vielleicht macht man so Eindruck in der fleischverarbeitenden Industrie, aber nicht auf die Hausfrauen, Rentner und Kranken, die schon morgens in die Röhren gucken. Heide Soltau

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