Standbild: Veteranen-Spot
■ "Gedenken an Stalingrad"
„Gedenken an Stalingrad“, Montag, 0.55Uhr, Sat.1
Wer des Morgens eine zwecks nächtlicher TV-Aufnahme programmierte Videokassette zurückspult, geht nicht fehl in der Erwartung, eine bunte Mischung aufgezeichnet zu haben. Denn ohne VPS muß der Fernsehkonsument angesichts des großzügigen Sendeplans vor allem von Privatsendern sowohl vor als auch nach der Sendung etliche Minuten zugeben. Dies hat das Resultat, daß das gewünschte Programm sich irgendwo im Flimmerbrei einer telegenen Wundertüte befindet.
So kann es geschehen, daß Ufos in Stalingrad landen — ohne daß Erich von Däniken sie dort hinbeordert hätte. Die englische 70er-Fernseh-Serie zeigt uns betrunkene Russen in einer Art Raupenfahrzeug, das führerlos auf eine alliierte Mondbasis zurast. Es ist, als ob der Krieg, an dessen Opfer anschließend in „Stalingrad“ erinnert wird, gar nicht aufgehört hätte. Zumindest nicht auf dem Mond.
Noch verwirrender werden die Zusammenhänge, wenn mitten hinein das Telefon klingelt. Auf die „Stop“-Taste gedrückt, erscheint automatisch das laufende Fernsehprogramm: ein freundlicher Mensch in Turnschuhen spricht zu einer Autorin von Trivialromanen.
„Nein, hier ist nicht die Deutsche Herzstiftung, Sie haben die mittleren beiden Ziffern vertauscht“, sage ich mechanisch in die Muschel, lege auf und zappe mich zurück zu den heulenden Landsern. Eine Blaskapelle intoniert Musik, die so klingt, als ob man eine Schallplatte von Hand abbremst. Eine Riege von Herren, von denen jeder über 60 Jahre zählt, legt gemäß einem Ritual Blumen im Halbkreis nieder. Am Ende der Zeremonie berichtet ein Veteran von einem Stalingrad-Besuch im vergangenen Jahr. Er beschwert sich über den schlechten Zustand der Gedenkstätte.
Seltsam, daß diese verquer deutschtümelnde Emotion sich in einem Mund artikuliert, welcher den im Deutschen nicht selten vorkommenden Buchstaben „r“ in breitestem Amerikanisch daherblökt.
Günther Hörmanns Dokumentation „Gedenken an Stalingrad“ endet recht abrupt. Als hätte er nicht genügend Material zusammenbekommen. Dennoch ist der Spot nicht uninteressant. Vielleicht sollte man Anfang und Ende dieses Kurzfilms zu einer Endlosschleife verbinden und zu festlichen Anlässen im Hintergrund als Videotapete projizieren.
Manfred Riepe
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen