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■ StandbildNur echt ohne

„Kuttners Sprechfunk“, ORB, Sa., 16.30 und 17.45 Uhr

Die taz hat ihn berühmt gemacht; die taz wird ihn auch weiterhin schamlos würdigen: Sven Bernward Dr. Cptn. Kirk Jürgen Kuttner, jetzt immer am Sonnabend auf der schicken Flachmattscheibe. Hauptamtlich zerrt der ultimative Talk-Radio-Master zweimal wöchentlich und fröhlich quengelnd Hörer über den Äther, schmeißt Männer und Rentner skrupellos aus seiner Sendung, um mit Frauen zu turteln, die nicht im Hintergrund kichern, sondern selbst zum Telefon greifen. Doktor Kuttner ist winkeladvokatiger Plapperkumpel, „Kuttners Sprechfunk“ hören mittlerweile Kult. So weit, so Radio.

Ist Kuttner sehen nun auch so lustig, belehrend sowie kulturell wertvoll? „Eieiei“ (Zitat Kuttner), Fragen über Fragen. Wenn der Aufschwung Ost in demselben Tempo vonstatten ginge, in dem Kuttner einleitet, könnten alle froher Hoffnung sein. „Guten Tach, liebe junge Menschen, das ist eine Premiere“, flötet er und lügt damit auch schon, daß sich die Balken biegen. Denn „Sprechfunk“-TV ist gar keine richtige Premiere, sondern eine abgefilmte „Best Of“-Collection: Kuttner mit Markenerfrischungsgetränk, Kaugummi und Kippe im Mundwinkel. Olivbraun, rund und gesund sitzt er vor dem Mikrofon und läßt „stalinistische Zuckertütchensammler“, Linkshänderinnen oder Bademeister über Wasserhähne und den Anbau derselben in der Welt referieren.

Beim Radio fehlt oft das Bild, wie der Meister selbst und demütigst zu Sendebeginn voranschickte, aber das gute alte Fernsehen liefert es in diesem Falle keineswegs nach. Kuttner pur. Höchst verwirrend. Dabei sollten es doch „die schicksten Bilder“ sein, die man zur TV-Premiere dazuerfinden wollte. Zappen und Nebengötter sind nicht erlaubt; auf ein Zeichen hin soll die Fernbedienung tunlichst aus dem Fenster geschmissen werden.

Das überlegt man sich denn doch, denn „Sprechfunk“ im TV ist eine mächtig kryptische und monochrome Angelegenheit für diejenigen, die „Sprechfunk“ nie im Radio gehört haben. Kuttners nuscheliger Charme liegt nicht wenig in der Tarnung, im Berlinern aus dem Off. Das Fernsehen aber reibt uns den ohne Zweifel Ansehnlichen megatotal in die Augen. Das mindert den praktischen Gebrauchswert des prinzipiell schönen Unterfangens nicht, wohl aber die Showeffizienz. Kuttner ist vielleicht nur echt ohne Glotze, Wollmütze und Zopf. Anke Westphal

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