■ Standbild: Ein „F“ für den TV-Frieden
„Der große Preis“, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF
„Da kann ich nur raten“, zauderte die Diplom-Übersetzerin Eva und wußte dann doch fast alles über Andrew Lloyd Webber. Sie war es auch, die an der Ratewand so charmant um ein „F für alle friedlichen Menschen“ bat und am Ende 17.700 DM mit nach Hause nahm.
Bemüht unspektakulär verabschiedete sich der „Große Preis“ von seinen Fans, so ruhig und selbstverständlich, wie er sie über alle Programmreformen hinweg 19 Jahre lang unterhalten hatte. Nur Robert Lembke hielt sich länger. Nach dem Willen der Programmverantwortlichen sollte er 1958 schon nach drei Jahren „etwas Neuem“ weichen. Erst als die Zuschauer dauerhaft protestierten, hatten die Programm-Macher ein Einsehen. Bis 1989 vergnügte sein „Was bin ich?“ als ästhetische Endlosschleife erfolgreich die Ratenation. Man hätte am Lerchenberg aus diesem Erfolg Lehren ziehen können: Fernsehunterhaltung lebt von der verläßlichen Variation des Immergleichen. „Wie heißt unsere Familienministerin? Was ist Eistanz, und wer war Barnie Geröllheimer?“ Fragen an die deutsche Geschichte in 231 Folgen. Das war der „Große Preis“, der nicht nur mit Thoelke, sondern auch mit seinem Publikum in Ehren ergraute.
Als das Showgeschäft härter wurde, die Einschaltquoten leicht zurückgingen, reformierte man aber die Show voller Panik in Grund und Boden. Dem „Großen Preis“ wurde die anstrengende Live-Ausstrahlung verordnet, angeblich um die Spannung zu steigern. Sie machte aber letztlich nur den Moderator und die Kandidaten nervös. Man rüstete das Gewinnbugdet auf, verteilte Autos, Reisen und Camcorder, und doch war das „Glücksrad“ immer etwas üppiger. Als der große Wim dann schließlich dem hausgemachten Streß ade sagte, modelte man die Show für den eitlen Kuli zum EWG-Verschnitt um und verbannte die Show schließlich auf einen tödlichen Sendetermin: den Samstagabend.
Dort aber haben weder Carolin Reiber noch der „Große Preis“ etwas zu suchen. Wim, Wum und Wendelin, die Ratekapseln und Herr Spahrbier, die Sorgenkinder und Frau Beate, sie alle sind ein Stück bundesrepublikanischer Fernsehgeschichte. Die Masterfrage, warum beim ZDF niemand bereit war, ihnen und uns ein 90minütiges Gnadenbrot am Donnerstagabend zu belassen, bleibt offen: Man kann da nur raten. Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen