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■ StandbildKaum auszuhalten

„TTT“, So, 22.20 Uhr, ARD

Zeitgleich zum Fußball präsentierte „Titel, Thesen, Temperamente“ am Sonntag zehn Minuten lang Sensationelles. Walter Ulbricht war ein hemmungsloser Parteikarrierist! Den Willen Stalins vollstreckte er gnadenlos schon seit 1935.

Und weil die Sache um Ulbricht ja gerade um den 20. Juli herum hochbristant ist, schließlich hängt sein Portrait einschließlich Kurzbiographie zum Ärger der Konservativen immer noch in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand, zappten wir also nicht um. Wir wollten endlich wissen, warum der Mann trotzdem zum Widerstand gerechnet wird, und wenn er ein Verräter ist, warum um Himmels Willen der gerade mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Leiter der Gedenkstätte, Peter Steinbach, nicht endlich Säuberungsvollzug meldet. Zumal „TTT“-Rechercheur Klaus Hensel mit dem massiven Vorwurf aufwartete, daß der Text zu Ulbricht in der Widerstandsgalerie „wichtige Fakten verschweigt“. Steinbach – ein U-Boot aus dem Osten?

Nein, viel schlimmer noch: Der Beitrag demontierte Peter Steinbach zum naiven Moralisten. „Für mich ist Ulbricht“, so darf er freundlich in die Kamera lächeln, „eine der negativsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.“ Aber darauf kommt es ja nicht an, schließlich ist sehr zu bezweifeln, daß die Attentäter des 20. Juli rundum integre Männer mit einer lupenreinen Widerstandsbiographie waren. Ulbricht habe, so wartete „TTT“ mit vier Beispielen auf, den antifaschistischen Widerstand ab 1935 sabotiert und damit den Nazis geholfen. Im Pariser Exil habe er die parteiübergreifende Zusammenarbeit gegen Hitler durch die Ausschaltung von Münzenberg verhindert. Später habe er Jungkommunisten und KPD-Dissidenten an die Gestapo oder das NKWD ausgeliefert und Thälmann in Buchenwald sterben lassen, weil die KPD einen Märtyrer brauchte.

Summa summarum: Ulbricht war ein Kollaborateur Hitlers, der in der Widerstandsausstellung rein gar nichts zu suchen hat. Aber anstatt bei dieser These zu bleiben, auch wenn das Volker Rühe und den CSU-Abgeordneten von Stauffenberg freuen mag, schwenkte „TTT“ völlig unvermittelt um. Kein Bilderverbot, so endete der Beitrag völlig überraschend, aber politisch korrekt: Ulbrichts Wirken müssen die Deutschen aushalten. Und wir die wirren Beiträge von „TTT“! Anita Kugler

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