■ Standbild: Hypnotikum
„Nacht für Nacht“, Dienstag, 23.45 Uhr, ZDF
Selbst der fiese Traum-Dämon Freddy Krüger hätte nach Ulla Kösterkes Interviewcollage über Schlaferfahrungen sämtliche Extremitäten gestreckt. Ermüdende 63 Minuten lang filmte sie ab, was du und ich uns eigentlich auch gleich selbst hätten erzählen können. Wie fein säuberlich aufgeräumte Hotelbetten drapierte die Autorin die profanen Antworten, ordnete sie mit Sammelfleiß zum sehr locker assoziativen Reigen der Gedanken. Immer schön dem Stichwort nach. Vom Einschlafmittel (Cognac; Kulenkampff) über „Schutz“ (der Eimer an der Türklinke) und Gebete bis hin zu den indiskretesten Fragen. Was denn wohl der Unterschied sei, wenn sie alleine einschlafe, wollte Kösterke von einer jungen Frau wissen. Doch die ließ die nach Alltagsphilosophien suchende Autorin in rührender Naivität auflaufen: Es sei der Unterschied „von der Bettbreite – daß ich mehr Platz hatte“. Auch für den strebsamen Angestellten war die Frage nach verborgenen Traumphantasien unvorstellbar: „Ich hab' nichts zu verbergen.“ Ein Senior gab sich da offener und klagte frank und frei über sein Prostataleiden. Ein junger Mann richtet zwecks Selbsterforschung „den Lichtkegel von außen nach innen“, und ein kleines Mädchen fürchtet sich nachts vor den Schatten seiner Puppe. Ausgerechnet ein Fabrikant setzte das ultimative Bonmot: „Wir sind Bettenliberale! Das Bett soll die Freiheit lassen.“
Zusehens ähnelte die nicht nur rhetorisch heimelige Sendung den Nachmittags-Talkkränzchen eines Hans Meiser. Nichts ist nichtig genug, um nicht doch als Beleg für alltägliche Authentizität zu dienen. Das überwindet die Distanz zwischen Medium und Mensch, ist soziologisch relevant und garantiert der Reporterin humanste Arbeitsbedingungen – ohne viel Recherche oder philosophischen Überbau. Vom klassischen Feature blieb hier nur noch das übrig, was man früher „Atmo“(sphäre) nannte – das soziale (Hintergrund-)Geräusch. Das wenigstens rauschte derart anheimelnd, daß man recht komfortabel in den sich anschließenden Nachtschlaf hinüberglitt. Dieter Deul
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen