Standbild: Perfekt vergeben
■ "MTV-European Awards"
„MTV-European Awards“, Donnerstag, 20 Uhr, MTV
Pünktlich um 20 Uhr latschte einer der 2.500 ausgewählten jungen Menschen vor die eingeschaltete TV-Linse und verlieh auf diese Weise dem „First European MTV-Award“ den gewünschten Live-Touch. Es gab sie also wirklich: Menschen, die tatsächlich da waren. Handverlesen ausgewählte zwar, aber doch immerhin echte Menschen.
Sie waren Teil einer monumentalen Inszenierung, die 240 Millionen potentielle MTV-User einen Abend lang mit glücklichen Preisträgern aus der seligen Musikbranche versorgen wollte. Dafür hatte man eigens ein Zelt vor das Brandenburger Tor praktiziert, 300 Techniker allein für die Bühnenausstattung zusammengecastet und die Größen des Business eingeflogen. Ein perfektes Spektakel also, von einem perfekten Musikkanal an einem perfekten Ort mit perfekter Kulisse. Nur eines hatte man offenbar bei all dem technischen Aufwand vergessen: Die Stimmung war draußen vor der Tür geblieben.
Lag es vielleicht gerade an den inszenierten jungen Menschen, die ihre Aufgabe, sich voller Ehrfurcht neben Prince und Take That zu setzen, allzu ernst nahmen? Die folglich weder vor Begeisterung von den Sitzen sprangen noch wenigstens die Traute hatten, auf die zugegeben mäßigen Scherze von Chefmoderator Tom Jones einzugehen? Oder hatte doch der Ort selbst versagt, der es nötig machte, deutsches Präsenzpublikum ins Berliner Zelt zu laden, Menschen also, die ob ihrer Jugend des Englischen nur step by step mächtig sind?
Sei es wie es sei. An diesem Abend, der doch so legendär hatte werden wollen, scheiterte der Veranstalter kläglich am eigenen Anspruch. Die ästhetische Revolution der Oscar-Verleihung hatte man sich von MTV erhofft, ein konventionell inszenierter Telestar war uns überreicht worden. Brav freuten sich die Geehrten über ihre ridiküle Trophäe, dankten Sony und ihrem technischen Stab, zeigten sich mäßig erstaunt, ja gelegentlich so glücklich. Präzise auf die Zehntelsekunde spulten die Präsentatoren ihre laudativen Sätze ab, immer den nächsten Werbeblock im Nacken, der uns dann vorführte, wie sich der Rock traditionell feiert: Im Trailer für das „Woodstock II“-Video stampften und clappten verschwitzte Leiber ihre ekstatische Musikbegeisterung unumwunden heraus und führten uns so vor, was dem MTV-Award fehlte: die Inszenierung des Rock. klab
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen