■ Standbild: Vernagelte Nudelprobe "Stern-TV Spezial: Steffi Graf"
„Stern-TV Spezial: Steffi Graf“, Mi., 22.10 Uhr, RTL
Sensationelles wurde uns von „Stern-TV“ versprochen: Günther Jauch knackt Steffi Graf! Die medienscheue, wortkarge Tennisspielerin gesteht alles über ihre Familie, Freundschaften, ihre Zukunft. Unveröffentlichte Aufnahmen aus dem privaten Filmarchiv werden gezeigt! Unglaublich, befanden Steffi-Graf-Experten – und behielten recht.
Die Gräfin sagte – wie immer – nichts. Nichts zumindest, was nicht schon bekannt wäre. Die Super8-Filme zeigten ein tennisspielendes Kleinkind, vom Vater getriezt. Klaro, der Tennisrummel geht auf die Knochen, sie will trotzdem weitermachen. Gerne hätte sie mal die Zeit angehalten, aber die Eltern haben sie zum Erfolg geführt. Länger Schule wäre prima, Mode macht Spaß. Allerdings wäre sie froh, wenn die Journalisten sie endlich in Ruhe ließen. Was sich Jauch zu Herzen nahm: Seine Fragen waren die harmlosesten seit der Erfindung des Interviews und wurden nur noch von den als persönliche Antworten getarnten nichtssagenden „Man“-Botschaften der Graf übertroffen.
Wie eine 16jährige kicherte die Tennisspielerin hinter ihren alles verhüllenden Haaren, wohl vor lauter Spaß, den Moderator so vorführen zu dürfen. Denn offensichtlich hatte sie genau festgelegt, worüber geredet werden darf und worüber nicht. Generalorder: Nichts über meinen Vater! Jauch gehorchte und gerierte brav den umstrittenen Peter Graf als liebenden Vater, der sein Leben dem Talent seiner Tochter widmete.
Wer dachte, das Gefälligkeitsinterview unterhielt wenigstens durch absolute Peinlichkeit, sah sich getäuscht. Günther Jauch kennt keine Scham, und Berührungsängste mit der Werbewirtschaft schon gar nicht. Völlig ungeniert kochte er drei Packungen Nudeln und zwang die Graf, jene Marke, für die sie bekanntlich wirbt, herauszuschmecken. Was, welch Wunder, natürlich gelang, denn Steffis Nudeln sind die besten und Jauchs Beziehung zu den Werbefirmen eng.
„Was bewegt Jauch, auf Kongressen und in PR-Filmen für dubiose Firmen aufzutreten?“ fragt der Spiegel in seinem „Journalisten Special“ und nennt Beispiele: Jauch als Akteur in einem 20minütigen Film über Waschmittel, die in Läden nicht vertrieben werden dürfen, Jauch in der Westfalenhalle als Mobilisator im Dienste einer Kosmetikfirma. Und nun eben Jauch als Nudelverkäufer. Das sollte er auch bleiben. Michaela Schießl
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