piwik no script img

■ StandbildZu enges Sakko

„RTL Nachtshow“, Dienstag, 23.15 Uhr, RTL

Es geht ein Gespenst um im deutschen Talkshow-Wesen, der Geist des David Letterman. Harald Schmidt, Thomas Gottschalk und Thomas Koschwitz — sie alle, so war zu lesen, hätten mit ihren Talkshows bei der US- amerikanischen CBS-Nachteule abgekupfert. Alles Quatsch.

Die vermeintliche Genealogie der Late-Night-Show erzeugt einen falschen Mythos von Originalität. Tatsächlich ist der US- Startalker Letterman, der popularitätsmäßig dem großen Vorbild Jonny Carson längst den Rang abgelaufen hat, nur die Ausprägung einer dem Fernsehen eigenen Produktions-Ökonomie: In den 80ern wurden Serien wie „Miami Vice“ so teuer wie Spielfilme. Mit billiger herstellbaren Sitcoms ließen sich aber die selben Quoten erzielen. Sofern man — wie das Autorenteam Witt/Thomas/Harris — mit Shows wie „Golden Girls“, „Nurses“ oder „Herman's Head“ schwarzen Humor und Zynismus neu entdeckte.

Damit war die nächste Stufe vorprogrammiert. Man schrieb die Gags nicht mehr selbst. Geladene Studiogäste produzieren den selben Blödsinn spontan und live noch billiger — sofern man sie vor laufender Kamera nur übel genug anmacht. Aber nicht einmal das brachte Thomas Koschwitz in seiner ersten „Nachtshow“ nach Gottschalks Abgang von der Late-Night- Bühne zuwege. Seine Intro-Gags waren eine Ausgeburt peinlich überspielter Langeweile. Sein Gespräch mit Gina Lolobrigida kam so stumpf und hausbacken daher, daß man sehen konnte, wie Koschwitz zusammenzuckte, als auf dem Telepromter die Regieanweisung kam, nun zum per Video zugeschalteten David Copperfield überzugehen.

Aber dem Karheinz Riedle der Zauberer entlockte Koschwitz nur noch drögere Statements. Der Talk-„Master“ konnte einem leid tun in seinem zu engen Sakko. Früher hätte jemand wie er vor dem Kaufhauseingang Gurkenhobel und Fleckenwasser verkauft. Jetzt macht er ein Special-Intrest-Programm für mentale Einzeller: Seinem nächsten Talkgast Friedrich Nowotny saß Koschwitz einfältig gegenüber und brauchte immer ein bis zwei Sekunden, um dessen Jokes zu verstehen. Dabei hat sich Nowotny deutlich ausgedrückt, indem er Koschwitz mit einem der Wildecker Herzbuben verglich: „Die kommen doch auch aus Hessen!“ Aber sie machen zum Glück keine Talkshows. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen