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■ StandbildFiesischkeit forever

Zum 150. Mal: „Vorsicht Falle“, Samstag, 19.25 Uhr, ZDF

Der böse Onkel lockt nicht mehr mit der Schokoladentafel, sondern zückt lässig den Fuffziger und nimmt kleine Jungs mit ins Autohaus – als „Pfand“ für den Luxusschlitten, den er mitgehen läßt. Der smarte Gentleman-Ganove Werner fährt weiter in den wilden Osten und „leiht“ sich als falscher Bauleiter von einem Arbeitslosen mal eben 2.500 Märker. Mit diesen Touren zockte er schon eine Million Mark ab, verrät „Ede“ Zimmermann mit unerbittlichem Oberinspektorenblick und der beflissenen, leicht angeödeten Gestik aus 31 Dienstjahren an der Reality-TV- Front.

Die 150. Folge seines 1964 gestarteten Crime-Magazins über „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ ist eines der letzten TV-Fossile. Doch Zimmermann spielt seine Rolle als Orakel einer verunsicherten Gesellschaft angesicht der grassierenden Verbrechensphobie besser denn je.

Vorsicht Falle“, die Light- Ausgabe von „XY ungelöst“, setzt auf Abschreckung durch klammheimliche Neugier, zeigt Melodramen pur: Naivität, Habgier, Skrupellosigkeit. Der Stil der kleinkriminellen Alltagsdramoletts wirkt rührig betulich und seniorengerecht didaktisch. Streng funktionales Schulfernsehen, knochentrocken lapidar – aber mit Mehrwert.

„Ganoven lieben XY-Ede“, titelte eine Illustrierte. Eine Knacki-Umfrage ergab, daß 16 Prozent der Einbrecher ihre Tricks vom Fernsehen abkupfern. Zimmermann – der Biedermann? Der „Aufklärer“ kann indes zum Anstifter werden. Die Wiederholung eines mit versteckter Kamera gefilmten Falles von 1967 bewies es. Ein falscher Heizungsmonteur räumte damals Büros aus. Der Trick funktioniert auch in der 1995er Neuauflage. Selbst die feuchte Dackelschnauze wittert keine Kamera. So ist dieser „ganz spezifischen Verbrauchersendung“ (ZDF) das ewige Fernsehleben sicher, denn, so Zimmermann: „Nach Jahren kehren die Maschen wieder zurück“, es „zeigt sich wieder die übliche Arglosigkeit“.

„Vorsicht Falle“ – bleibt die sich selbsttragende Seifenoper für Skeptizisten und Schadenfrohe. Kleine materialistische Melodramen über Haben und Nichthaben und die Faszination krimineller Energie. „True Stories“, gegen die auch die Schickimicki-Märchen des ZDF-Werbefernsehens blaß aussehen – denn Fiesischkeit kennt keine Grenzen. Dieter Deul

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