■ Standbild: Werteverfall im Strafraum
„Fairneß im Sport“, Montag, 20 Uhr, arte
Bilder von alten Fußballspielen, bei denen die Spieler noch mit buschigen Koteletten und enganliegenden Leibchen kickten, sind immer wieder schön. Allerdings nicht in einer Reportage, die vorgibt, sich mit dem neuesten Stand bezüglich der Fairneß im Sport zu befassen.
Das Archivmaterial erweckte den Eindruck, als sei die heutige Zeit ärmer an rüden Fouls und als seien Bilder aktueller Blutgrätschen nicht lieferbar. Aber das wäre ja nun weit gefehlt, steigt die Anzahl gebrochener Sprunggelenke doch proportional zu den Spielergehältern.
Vielleicht hat ja „ran“-Moderator Reinhold Beckmann seine „frische Fußballware“ so gut weggeschlossen, daß sich arte die Reportage aus alten Europacup- Spielen zusammenstöpseln mußte. Oder was soll man davon halten, wenn ein jugendlicher Udo Lattek 1976 anläßlich der Begegnung Mönchengladbach gegen Turin den Werteverfall im Fünfmeterraum beklagt? Aus fernen Tagen kamen auch die martialischen Schlagzeilen, die die Bilder aus dem Fußball-Poesiealbum umrahmten: „Samstag – wenn die Knochen krachen“ und „Boxen, bis die Birne bricht“, titelte Bild damals treffend. Das könnte man auch heute noch so stehenlassen.
Anderes nicht. Zum Beispiel den moralinsauren Kommentar, der so tat, als hätte das Motto in der Südkurve jemals „Hallo Partner, danke schön“ geheißen: Jeder Rocker ein Hooligan und die zerschlissene Fan-Kutte Ausdruck von fortschreitendem Jugendalkoholismus. Reichlich anachronistisch war auch, daß nicht Michael Schuhmacher, sondern ein frisch operierter Niki Lauda als Kronzeuge vollgas-bedingter Verdummung herhalten mußte: „Der rechte Fuß ist mir lieber als mein Gesicht.“
Alles wollten die Autoren anprangern, und für nichts hatten sie Bilder. Um vor den Langzeitschäden von Ausdauer-Sportarten zu warnen, holten sie doch glatt den alten Kurt Bendlin aus dem Hobbyraum – deutscher Vor-Zehnkämpfer der siebziger Jahre – und präsentierten ihn als Athlet ohne Grenzen. Zum keuchenden Dauerlauf durch den Westerwald trommelte es grimmig. Das Trimm-Dich-Lied hätte besser gepaßt.
Unterm Strich blieb die magere Erkenntnis, daß „im heutigen Sport mit Mitteln gekämpft wird, die mit der Definition von Fairneß im 73er Brockhaus nicht mehr viel zu tun haben“. Wer hätte das gedacht? Oliver Gehrs
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