■ Standbild: Virtuelle Sinnfälligkeit
„Focus TV“, Montag, 21 Uhr, Pro 7
Redaktionsleiter Carsten Obländer brachte die Fakten auf den Punkt: „Mit ,Focus TV‘ werden wir den Zuschauern ein Magazin bieten, das es bisher in dieser Form noch nicht gab.“ Stimmt. Bisher gab es keine Sendung, die von Lilli Gruber moderiert wird, aus einem virtuellen Studio kommt und in der Helmut Markwort nach einem Trailer mit dramatischer Geigenmusik einen Kommentar spricht. Bisher gab es eben ,Focus TV‘ nicht. Seit Montag ist es da. Na und?
Denn die wirklich neuen, revolutionären Ideen blieben aus. Das war nicht anders zu erwarten: Um mit ,Focus TV‘ für ähnlich heftige Diskussionen zu sorgen wie bei der Einführung des Printmediums Focus, hätte Helmut Marktwort wohl in 3D senden müssen. Aber so ist es eben doch nur ein weiteres Politmagazin geworden, wie es Politmagazine im deutschen Fernsehen schon dutzendfach gibt.
Optisch ansprechender als die Konkurrenz sollte ,Focus TV‘ durch den Einsatz von Computertechnik und der italienischen Moderatorin Lilli Gruber werden. Tatsächlich macht es wohl keinen großen Unterschied, ob eines der zahlreichen Fotos oder eine Graphik schräg hinter Frau Gruber im Raum materialisiert oder stinknormal eingeblendet wird. Ein großer Teil der Rechenzeit des ,Focus TV‘-Computers mußte dafür aufgewendet werden, daß die virtuelle Studioumgebung aussieht wie ein realer, mit roter Farbe und Bilderleiste ausgestatteter Raum.
In einem Hardware-Studio hätte Lilli Gruber spontan agieren können, dafür ist sie in Italien bekannt. In Markworts virtueller Realität, eingerahmt von für sie unsichtbaren Illustrationen, wirkte sie hölzern und unsicher. Auch die angekündigten Akzente hat sie bisher nicht gesetzt.
Der Hang zur sinnentleerten Sinnfälligkeit schlug sich derweil auch in den – ansonsten konventionellen – Beiträgen nieder. So wurde z.B. ein Film über genetisch bedingtes Massenmördertum mit Sequenzen aus Gewaltvideos reißerisch aufgemotzt. Und ein „Gehirnforscher“ hielt zur Illustration seines Berufs ein wabbriges Gehirn in Händen – Fakt, komm raus, du bist umzingelt!
P.S. Am Schluß enthüllte man auch noch den Scheidungsgrund von Gerhard Schröder. Für die Aufnahme brauchte man nur das Stockwerk zu wechseln. Hillus Nachfolgerin arbeitet bei „Focus“. Das nennt man Synergieeffekt. Stefan Kuzmany
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