■ Standbild: Ohne Gedanken
„25 Jahre Hamburger Fabrik“, So., 16.30 Uhr, N3
Gottfried Böttger ist eine der gruseligsten Gestalten des deutschen Talkshow- Betriebs. Der Mann ist zuständig für die Pausenmusik in der „NDR-Talkshow“ und spielt dort, was er ungefähr seit dem 30jährigen Krieg spielt: Boogie Woogie. Das ist insofern konsequent, als Talkshows nichts anderes sind als in Worte umgesetzte Boogie Woogies. In der Sendung zum Jubiläum des Hamburger Veranstaltungszentrums „Fabrik“, geschah das Unvorhersehbare: Böttger war noch penetranter als in der „NDR-Talkshow“. Er durfte nicht nur Musik machen, sondern sogar moderieren.
Kein Wunder, daß „25 Jahre Fabrik“ nahezu frei war von Gedanken. Böttger stellte fest, das Konzept der Fabrik beruhe „immer noch auf handgemachter Musik“ – als ob andere Clubs auf Musik setzten, die mit Füßen und Zähnen gemacht wird.
Die Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Fabrik waren ähnlich niveauvoll. Der Stadtteil Ottensen wurde präsentiert als eine Art Entenhausen mit türkischen Gemüseläden, und Besucher eines Georges-Moustaki-Konzerts wurden befragt, wie sie die Atmosphäre der Fabrik fänden. „Locker und spritzig“, sagte jemand. Daß die ehemalige Maschinenfabrik seit jeher den Charme eines Internierungslagers hat, wurde verschwiegen.
Statt dessen rhabarberten Journalisten und Anwohner nostalgiebesoffen von „Kultur zum Anfassen“ und „frechem und witzigem Theater“. Aber ist das wirklich besorgniserregend? Warum sollte man diesen Menschen ihren Schrebergarten madig machen? Wer weiß, wie viele Fourtysomethings nicht ein Fall für die Psychotherapie wären, wenn sie nicht die Nostalgie als Rettungsanker hätten. René Martens
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