piwik no script img

■ StandbildTalk in Hellgrün

„Karasek“, So., 23 Uhr, N 3

Hellmuth Karasek ist ein ganz normaler Talkmaster geworden. Warum das so ist, weiß man nicht. So sitzt er jetzt hinter Jackett und Weste auf einem teuren Bauhaus-Möbel. Von dort aus fuchtelt er mit hellgrünen Karteikarten vor den Nasen seiner Gäste herum, weil der Anlaß seiner plötzlichen Karriere aus ihm raus will. Aber es hilft ihm nichts.

Für seinen ersten Talk hat er sich ein ganz handelsübliches Aufsatzthema herausgesucht: „Der Verlust des Privaten in der Öffentlichkeit“. Vielleicht auch: „Es gibt kein Privates im Öffentlichen“. Schwer zu sagen, welches nun. Auf alle Fälle war es ein Thema für Medienphilosophen, die Fleißpunkte sammeln wollen, für Ich-Fanatiker und Techno-Köppe. Mit ihnen hätte Karasek vielleicht was deklinieren können. Aber er wollte es nur allen recht machen. Deswegen hatte er Hiltrud Schröder geladen und neben sich aufs Möbel gesetzt. Mannhaft kitzelte er mit seinen Karteikarten aus ihr heraus, daß sie ihrem Mann kein einziges Schnitzel gebraten und ihn zudem auch noch „Gerda“ geheißen habe.

Andere waren auch da. Ein Schlagersänger, der seinen Hintern nicht liften ließ (Jürgen Drews). Ein tiefsitzender, ehemaliger Boulevard-Journalist, der nicht viel vom nachmittäglichen „Windel-Sex“ der Bärbel Schäfer hält (Hans-Herrmann Tiedje). Ein Vorgänger des Hellmuth Karasek, der sich vor sieben Jahren aus Versehen mal verliebt hat (Carlo von Tiedemann). Und auch noch der Rechtsanwalt der meisten Gäste (Matthias Prinz). Der erzählte was von seinem Geschäft mit dem kleinen Unterschied zwischen Öffentlichkeit (Yin) und verletzter Privatsphäre (Yang).

Sie alle saßen herum und warteten auf irgendwas. Deswegen saß Karasek am Ende auch ganz betripst in seiner Ecke, weil nichts zu sagen war, was nicht schon lange gesagt ist. Ihm fehlte der Karl Lagerfeld sehr. Der soll eine Behinderte aus dem Flugzeug gestoßen haben oder so ähnlich. Auf alle Fälle soll das nicht gestimmt haben. Darüber hätte man vielleicht was sagen können. Oder auch nicht.

Und so rutschten einem die Augenlider runter. Als Kritiker war Hellmuth Karasek ein Barde des Populären, ein tapferer Sohn und Vatermörder. Jetzt sitzt er mittendrin in seinem gottlosen Pop, und es ist ein Schlamassel. Möge der Vater kommen und ihm da wieder raushelfen oder die Schwester. Oder auch nicht. Marcus Hertneck

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen