Stadtschloss Potsdam: Potsdam quält sich mit dem Stadtschloss
Die Planungen für den pompösen Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses verzögern sich immer wieder. Diese Woche wird wohl über eine Klage eines Baukonsortiums entschieden
Es ist heiß an diesem Nachmittag und Hans-Joachim Kuke muss ohne Sonnenbrille, aber mit einem Lächeln für den RBB posieren - mitten in der weiten Baugrube für den geplanten brandenburgischen Landtag in Potsdam. Ein dreiköpfiges Kamerateam umkreist ihn, es dreht einen Spot über die Landeshauptstadt. "Wir brauchen jede Öffentlichkeit für unser Anliegen", sagt Kuke sichtlich angestrengt, während Schweißperlen ihm langsam über das Gesicht rinnen. Schließlich sei es eine historische Chance, die sogenannte Alte Mitte in ihrem Glanz wieder auferstehen zu lassen. Kuke ist Kunsthistoriker und in seiner Freizeit Mitglied des Potsdamer Stadtschlossvereins. Seit Jahren kämpfen er und seine Mitstreiter für einen detailgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses.
Aber der Baubeginn verzögert sich auch seit Jahren. Denn die Diskussionen der Befürworter und Gegner finden kein Ende. Inzwischen wurde bereits eine zweite Ausschreibung ausgelobt, deren Ergebnisse eigentlich Anfang November einer Jury aus Politikern und Architekten präsentiert werden sollten. Ob es dazu kommt, ist derzeit offen: Denn ein mitbietendes Baukonsortium hat gegen die erneute Ausschreibung Klage bei der Vergabekammer des Wirtschaftsministeriums in Brandenburg eingereicht. Eine Entscheidung wird in dieser Woche erwartet. Der Ausgang ist völlig ungewiss.
Auch bei den Potsdamern ist das Thema noch lange nicht beendet. Denn nicht alle Bewohner sind für einen rekonstruierten Landtag. Deshalb wird auch weiter kräftig gestritten, wie die veranschlagte Bausumme von rund 85 Millionen Euro ausgegeben werden soll. Einen detailgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses fordern die einen, einen modernen Zweckbau die anderen. Manche wollen das Geld lieber in Bildung investieren, manche es gar nicht erst ausgeben. Selbst die 20-Millionen-Euro-Spende des Software-Herstellers Hasso Plattner für eine historische Fassade nach dem Entwurf von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff aus der Mitte des 18. Jahrhunderts konnte die Gemüter nicht beruhigen.
Der brandenburgische Finanzminister Rainer Speer (SPD) sitzt dabei als Bauherr zwischen allen Stühlen. Land, Stadt, Fraktionen, Vereine - alle wollen ihre Vorstellungen durchsetzen. Der Zeitplan sieht eine finale Entscheidung des Landes für Juli 2009 vor. Ob der jetzige Plan eingehalten werden kann, wird der Richterspruch der Vergabekammer zeigen.
Zu den Unterstützern des Stadtschlosses zählt seit 2007 auch eine fünfköpfige Gruppe junger Potsdamer um den Architekten Christopher Kühn und den Betriebswirt Olaf Mauga. Sie stellten nach zweijähriger Vorbereitungszeit im Herbst 2007 ein Stadtschlossmodell mit historischer Fassade vor, in dem überraschenderweise der Landtag Platz fand. Was bis dahin von dem Berliner Planungsbüro "Phase eins", das im Auftrag des Finanzministeriums eine Machbarkeitsstudie erarbeitet hatte, als unmöglich angesehen wurde, war auf einmal machbar. "Wir wollten einfach beweisen, dass die ursprünglichen Um- und Aufrisse des Stadtschlosses eingehalten werden können - trotz der Vorgabe, Arbeitsplätze für 150 Abgeordnete zu schaffen", so der 28-jährige Mauga.
Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des alternativen Modells war jedenfalls günstig gewählt. Kurz darauf präsentierten die sechs offiziell vom Land beauftragten Baukonsortien ihre ersten Glas- und Betonvorschläge. Doch keiner war jetzt mehr würdig für die Öffentlichkeit.
Kühn und Maugas Entwurf bewegte vielleicht auch Plattner, den Wiederaufbau der alten Knobelsdorff-Fassade zu finanzieren. Mit dem Geldregen änderte sich eigentlich alles: Das Land zahlte sechsstellige Entschädigungssummen an die Konsortien, verwarf ihre Modelle und forderte sie auf, sich im zweiten Anlauf an den alten Meister der Architektur zu halten. Sie gab diesmal konkret die Gestaltung der Außenfassade vor, aber nicht die für den Innenhof. Deshalb dürfen die Gebäudemauern nun um mehrere Meter in den Hof hinein erweitert werden. Der Begriff "Molli-Schloss" geistert schon jetzt durch Potsdam.
Kuke will sich über das Durcheinander nicht mehr aufregen. Ruhig sitzt er auf den Eingangsstufen der Fachhochschule und blickt auf das emsige Treiben der Archäologen in der Baugrube. Sein dunkles Jackett hat er über die Bluejeans gelegt. Als plötzlich das Handy klingelt, kommen schlechte Nachrichten: Erneut wurden Scheiben im Fortunaportal eingeschlagen, dem neu errichteten Haupttor des Stadtschlosses, Symbol des Wiederaufbaus. "Wir haben natürlich auch extremen Gegenwind", gibt Kuke zu. Gerade mit linksalternativen Jugendlichen sei es äußerst schwer zu diskutieren. "Wir werden von ihnen als preußische Revanchisten abgestempelt."
Zum Kreis der jungen Gegner gehört auch die studentische Initiative "Bildung Stad(t) Schloß" an der Fachhochschule Potsdam, deren Mitglieder lieber anonym bleiben wollen. Bei einer Tasse Kaffee wirft ihr Sprecher dem Land vor, Schulen "verrotten" zu lassen: "Wir setzen doch ein völlig falsches Zeichen. Da wird ein altes Gebäude neu aufgebaut, während gleichzeitig kein Geld für marode Schulen da ist." Mit den Millionen könnten alle Potsdamer Schulen saniert werden und die Jugendclubs müssten nicht schließen. Er nimmt einen Schluck schwarzen Kaffee und blinzelt in die Sonne. "Das Stadtschloss können wir wohl nicht mehr verhindern", stellt er fest. Aber vielleicht künftige Diskussionen beeinflussen, wenn wieder Geld in den unnützen Aufbau zerstörter Gebäude fließe.
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