Stadtgespräch Mthulisi Sibanda aus Johannesburg: Schaut auf diese Stadt? Besser nicht: Südafrikas größte Metropole ist wohl kaum der ideale Ort für den nächsten G20-Staatengipfel
Einheimische nennen Johannesburg liebevoll „Joburg“ oder „Jozi“, es trägt den Spitznamen „Stadt des Goldes“ (Egoli) und reklamiert den Status einer Weltstadt. Der alarmierende Niedergang der Millionenmetropole wird dieses Jahr eine Angelegenheit von weltweiter Tragweite.
Zum Wettlauf gegen Vermüllung, Verbrechen und Verfall kommt jetzt ein Wettlauf gegen die Zeit. Im November 2025 soll in Johannesburg der G20-Staatengipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer stattfinden, deren Vorsitz Südafrika hält. Es wird der erste G20-Gipfel in Afrika.
Aber in der Gastgeberstadt scheint nichts zu funktionieren. Die Innenstadt, genannt Central Business District (CBD), steht für hoch aufgetürmte Müllberge, da die städtische Müllabfuhr in den Arbeitszeiten zwischen ihren Streiks nicht hinterherkommt. Es ist so dreckig! Ortsfremde rätseln, wie Menschen in diesem verpesteten Raum überleben können.
Im CBD können ganze Tage vergehen, ohne dass auch nur ein Tropfen Wasser aus den Hähnen kommt. Die Ampeln, „Roboter“ genannt, funktionieren meistens nicht, weil es selten Strom gibt, aber oft Vandalismus. Statt ihrer sollen Verkehrspolizisten den Verkehr regeln. Aber meistens sind sie nicht da. Sie überlassen ihren Platz Obdachlosen. Die betteln dann als Instrument der Verkehrsregelung.
Sofern man verkehren kann. Die Autos stehen entweder im Stau oder in Schlaglöchern. Schnelles Vorankommen ist Minibus-Sammeltaxis vorbehalten, deren Fahrer das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Manche sind bewaffnet. Friedlichere Fahrer müssen damit rechnen, dass Kleinkriminelle ihnen die Autofenster einschlagen.
Man hat dabei immerhin Zeit, die vielen heruntergekommenen Gebäude zu bewundern – Wohn- und Geschäftshäuser unter Kontrolle des organisierten Verbrechens direkt vor der Nase staatlicher Behörden. Solche Gebäude werden als „Geiseln“ bezeichnet. Darin wohnen zumeist rechtlose Ausländer oder mittellose Einheimische, die es schwerer finden als sie dachten, in der „Stadt des Goldes“ Geld zu verdienen. Manche Teile von Johannesburg sind bekannt als No-Go-Zonen, darunter die Gebiete um die Busbahnhöfe, wo Reisende damit rechnen müssen, dass Schläger sie überfallen oder korrupte Polizisten ihre Ausweise sehen wollen.
Man könnte natürlich den G20-Gipfel woanders abhalten. Kapstadt zum Beispiel, die bei Touristen beliebte idyllische Hauptstadt der Westkap-Provinz, die sich selbst als physisch und politisch sauberste Provinz Südafrikas bezeichnet. „Die Ampeln funktionieren, die Straßen und Gehwege sind sauber, die Natur ist einmalig schön und die Konferenzinfrastruktur ist exzellent“, so wirbt Bürgermeister Geordin Hill Lewis.
In Kapstadt regiert die liberale Partei DA (Democratic Alliance), in Johannesburg die ehemalige Befreiungsbewegung ANC (African National Congress). Aus DA-Sicht steht der Unterschied zwischen den beiden Städten für den Unterschied zwischen den beiden Parteien. ANC und DA regieren Südafrika seit 2024 gemeinsam, was die Sache jetzt nicht einfacher macht.
Ende Februar fand ein G20-Außenministertreffen in Nasrec statt, einer alten Goldgräbersiedlung bei Johannesburg. Präsident Cyril Ramaphosa kam extra nach Nasrec, es ist sein Geburtsort. Er wird dort meistens ausgebuht.
Damit das diesmal nicht passiert, hatten sich die Behörden ins Zeug gelegt. Gras wurde gemäht, Schlaglöcher wurden gefüllt, Stromleitungen repariert – alles, um ein rosiges Bild zu zeichnen. Aber Ramaphosa war unbeeindruckt. „Was man gesehen hat, war nicht erfreulich“, sagte er nach seinem Besuch.
Nun rief Südafrikas Regierung für die Provinz Gauteng, in der Johannesburg liegt, den Notstand aus, offiziell wegen Überschwemmungen. Werden nun Notstandsgelder in Gauteng für krumme Geschäfte missbraucht, um Johannesburg G20-tauglich aussehen zu lassen?
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