Stadtderby in Hamburg: Nur noch auf Abruf
Vor dem Erstliga-Zweikampf gegen den FC St. Pauli präsentiert sich der HSV als Club im Übergang – schon wieder. Auch der nächste Umbruch ist schon längst in Sicht.
HAMBURG taz | Wer sich dem Stadion des HSV bei Google Maps nähert, reibt sich verwundert die Augen. Fast mit jedem Klick auf den Vergrößerungsbutton ändert sich der Stadionname. Erst steht dort "HSH Nordbank-Arena", dann plötzlich "Imtech-Arena" und zum Schluss tauchen beide Namen nebeneinander auf. Selbst die Kartografen scheinen mit der Entwicklung beim HSV nicht Schritt zu halten.
Noch schneller als die Stadionnamen wechseln die Trainer und Konzepte. Seit den großen Zeiten Anfang der Achtzigerjahre fühlen sich die Rothosen auch ohne Titel dem Hochadel des europäischen Fußballs zugehörig und starten jedes Jahr aufs Neue kurzatmige Gipfelstürmereien.
Allein Clubchef Bernd Hoffmann hat in seiner über siebenjährigen Amtszeit schon sechs Trainer verbraucht - einen Titel hat keiner von ihnen geholt. Und obwohl die Mannschaft im Unterschied zu anderen Traditionsclubs wie Werder oder Schalke auf Platz sieben der Tabelle noch Kontakt zur Spitze hat, ist der nächste Umbruch schon beschlossene Sache.
"Es kann sein, dass die natürliche Fluktuation am Ende der Saison ein wenig größer ausfällt", sagte Bernd Hoffmann und meinte damit hauptsächlich die Riege der Altstars um van Nistelrooy und Ze Roberto, die nur noch punktuell zur Höchstleistung fähig sind. Aber auch jüngere Spieler wie Elia, Pitroipa und Trochowski stagnieren in ihrer Entwicklung, erfahrene Kräfte wie Jansen, Guerrero, Demel und Petric sind sehr verletzungsanfällig.
Bislang weist nur die Vertragsverlängerung mit Dennis Aogo in die Zukunft. Die verkündete der angeschlagene Bernd Hoffmann dann auch gleich zu Beginn der Mitgliederversammlung Anfang Januar, um Stimmung für sich zu machen.
21. Spieltag
Borussia Dortmund - FC Schalke 04 (Fr, 18.30)
FSV Mainz 05 - Werder Bremen (Sa, 15.30)
Hannover 96 - VfL Wolfsburg
1. FC Köln - Bayern München
1. FC Nürnberg - Bayer Leverkusen
1899 Hoffenheim - 1. FC Kaiserslautern
Mönchengladbach - VfB Stuttgart (Sa, 18.30)
Hamburger SV - FC St. Pauli (So, 15.30)
SC Freiburg - Eintracht Frankfurt (So, 17.30)
Auf ebendieser Versammlung wurden dann aber die Weichen dafür gestellt, dass der Umbruch beim Präsidenten selbst beginnen könnte. Nach den Neuwahlen zum zwölfköpfigen Aufsichtsrat ist die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Verlängerung von Hoffmanns Vertrag im Frühjahr kräftig ins Wanken geraten.
Besonders dem neu ins Honoratioren-Gremium gewählten Theaterbesitzer Jürgen Hunke wird jederzeit ein Putsch zugetraut. "Es fehlt Herz und Leidenschaft. Der HSV erinnert derzeit mehr an eine Finanzholding."
Mit Sprüchen wie diesen hat Hunke sogar Teile der kommerzkritischen HSV-Ultras auf seine Seite gebracht. Gemeinsamer Anstoß der Kritik ist vor allem der sogenannte Kühne-Deal, mit dem sich ein Investor für eine Finanzspritze von 12,5 Millionen Euro anteilige Transferrechte an fünf Spielern sicherte. Dabei war es ausgerechnet Hunke, der als Präsident 1991 versucht hat, den HSV als Ganzes in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.
Als Befreiungsschlag wollte Bernd Hoffmann, der jahrelang alle starken Leute neben sich demontiert hat, Matthias Sammer zum neuen Sportdirektor küren. Der machtbewusste Sammer, der die Nachwuchsarbeit beim DFB neu aufgestellt hat, sollte zum Garanten für den erfolgreichen Neuaufbau der Mannschaft und Hoffmanns Wiederwahl werden. Die Sache scheiterte an Indiskretionen des neuen Aufsichtsrats, der die Presse fütterte, bevor er mit Sammer handelseinig war.
Das war nicht die erste Personalie, die das überbesetzte und geltungssüchtige Gremium seit der Trennung von Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer verpatzt hat. Häufiger als die Stadionnamen und Trainer wechseln beim HSV nur die Fast-Sportdirektoren. Kreuzer, Grill, Wehmeyer, Siegenthaler, Sammer - dies ist allein der Ertrag der letzten 15 Monate. Bastian Reinhardt erweist sich derweil als erstaunlich zähe Notlösung und begegnet der laufenden Suche nach seinem Nachfolger mit stoischer Ruhe.
Dennoch wird er in der kommenden Saison wohl genauso wenig noch im Amt sein wie Trainer Armin Veh. Kaum jemand in Hamburg macht Veh für das fußballerische Mittelmaß verantwortlich, aber unter dem Eindruck der vereinsinternen Querelen und eines überalterten Kaders zeigte er schon deutliche Anzeichen von Amtsmüdigkeit. Inzwischen hat Veh zwar zugesagt, mindestens diese Saison durchzuhalten, aber wie ein Mann, der mit aller Kraft den nötigen Umbruch gestalten kann und will, wirkt auch er nicht.
Teile der Mannschaft, der Präsident, der Sportdirektor, der Trainer - beim HSV nehmen derzeit viele nur noch auf Abruf am Spielgeschehen teil. Daran ändert auch das Stadt-Derby gegen den FC St. Pauli nichts, denn die kenne, so David Jarolim, "in Europa sowieso keiner."
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