: Stadt auf der Jagd nach „Bauwäglern“
■ Bauwagen-BewohnerInnen mußten Uni-Gelände wieder räumen / Aufgeben wollen sie nicht
Lange ließ die Polizei nicht auf sich warten. Kaum hatten die Mitglieder von Kwell, dem Verein für konstruktiven Wahnsinn, einfach leben und leben lassen, ihre Bauwagen gestern vormittag auf einem Grundstück neben der Universität geparkt, fuhr ein Streifenwagen auf das Gelände. Zwei Polizisten stiegen aus – unterm Arm trugen sie eine rote Akte mit einem Stapel Verfügungen des Stadtamtes. Binnen 30 Minuten nach Zustellung der Verfügungen sollten die Bauwägler den Platz verlassen – ansonsten würde die Polizei das Gelände räumen, und zwar sofort.
Seitdem die Bauwagenkolonie am Findorfer Weidedamm im Herbst des vergangenen Jahres geräumt wurde, ziehen die letzten zehn Weidedämmler durch Bremen. Die Stadt will ihnen kein Grundstück verpachten (siehe taz 9.4.). Nachdem ihr vorläufiges Bleiberecht auf einem Gelände am Neustädter Hafentor abgelaufen ist, sind die Bauwägler wieder auf der Suche nach einer neuen Bleibe. In Wohnungen, die ihnen vom Amt für Soziale Dienste angeboten werden, wollen sie nicht ziehen.
„Hier können sie jedenfalls auch nicht bleiben“, sagt der Polizist zu den „Bauwäglern“. „Wo sollen wir denn dann hin?“ fragt David Jany, 1. Vorsitzender von Kwell, zurück. „Das ist doch ihr Problem“, entgegnet der Polizist. „Eine halbe Stunde ist viel zu kurz. Wir haben nur drei Zugwagen. Das schaffen wir nie.“ „Auch das ist Ihr Problem“, antwortet der Polizist. „Die meisten Leute sind gar nicht da. Wir können ihre Wagen doch nicht einfach wegfahren.“ Der Polizist zuckt mit den Achseln. „Die Verfügungen können Sie denen ja auch nicht zustellen“, fügt Jany hinzu. „Wir werden die Wagen trotzdem entfernen“, droht der Polizist. „Wenn die Verfügungen nicht zugestellt sind, können Sie die Verfügungen auch nicht vollstrecken“, gibt ein Mitglied des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta) zu bedenken, der sich zu den Bauwäglern gesellt hat. „Wir fahren die Wagen trotzdem weg“, entgegnet der Polizist. „Aber ist das nicht gegen das Gesetz?“ empört sich Bauwagenbewohner Olaf Kawallek. „Das wird dann anschließend an anderer Stelle entschieden“, gibt der Polizist zurück.
Wenig später: David Jany, 1. Vorsitzender von Kwell, faxt die Verfügung vom Büro des Asta aus an seine Anwältin, die versuchen soll, die angedrohte sofortige Räumung des Geländes zu verhindern. Die Chancen stehen schlecht. Nach § 2 des Wohnwagengesetzes müssen sich Camper eine Genehmigung der Behörde beschaffen. Da auf dem Gelände an der Universität weder für die Wasserversorgung noch für die Entsorgung des Abfalls und der Fäkalien gesorgt ist, hätten die Bauwägler ohnehin keine Genehmigung bekommen.
„Warum läßt man uns nicht einfach in Frieden“, knüpft Olaf Kawallek das Gespräch mit dem Polizisten wieder an. „Bremen ist schlecht ausgerüstet. Es gibt überhaupt keine Plätze für Leute mit Bauwagen, auch für Durchreisende nicht.“ „Wir sind die vierte oder fünfte Klasse dieser Gesellschaft. Warum gibt man uns nicht einfach einen Platz und läßt uns in Ruhe leben. Wir wollen ja sogar Pacht bezahlen. Damit wäre das Problem gelöst. Oder etwa nicht?“ Der Polizist sieht Kawallek lange an. Schließlich nickt er. „Eigentlich haben Sie recht.“
Marianne Hampe steigt aus einem Streifenwagen. Die Sachbearbeiterin beim Stadtamt hat die Verfügung unterschrieben und will den „Bauwäglern“ ins Gewissen reden: „Unsere Rechtsordnung sieht vor, daß man sich nicht einfach Grundstücke stellen kann, wenn man den Eigentümer nicht vorher gefragt hat.“ Olaf Kawallek schüttelt den Kopf. „Wie lange brauchen Sie denn, um hier wegzufahren“, fragt Hampe und zieht einen gelben Notizblock aus ihrem schwarzen Lederhandtäschchen. „Bis heute abend mindestens“, antwortet Kawallek.
Nach stundenlangen Verhandlungen gibt das Stadtamt den „Bauwäglern“ schließlich bis Mitternacht Zeit, ihre Wagen wegzufahren. Das tun die Mitglieder von Kwell dann auch: Sie fahren ihre Bauwagen ein paar Meter weiter auf den Parkplatz der Universität. Die Verfügung ist damit hinfällig. Jetzt warten die Bauwägler darauf, daß die Stadt mit einer neuen Verfügung an ihre Wagentüren klopft. „Wir werden so lange durch die Stadt ziehen, bis man uns endlich ein Grundstück verpachtet, auf dem wir leben können“, kündigt Olaf Kawallek an. kes
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