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Staatsreform in BelgienStreit um Wahlkreis endlich gelöst

Der Sprachenstreit lähmte die belgische Politik. Das Ergebnis: Bald dürfen in 29 Kommunen frankophone Wähler nur noch flämische Parteien wählen.

Möchte Belgien gerne teilen: Bart de Wever Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Es ist vollbracht: Das Herzstück der belgischen Staatsreform ist vom Parlament und vom Senat in Brüssel abgesegnet worden. Damit sollte der Dauerstreit zwischen flämischen und frankophonen Parteien im Land zumindest für die nächsten Jahre beigelegt sein.

Bisher durften in dem umstrittenen Wahlkreis Brüssel-Hall-Vilvoorde (BHV) sowohl flämische als auch frankophone Parteien gewählt werden, obwohl Hall, Vilvoorde und die dazugehörigen Kommunen auf flämischem Gebiet liegen. Das ist nun vorbei. Ab den Wahlen 2014 gilt diese Doppelliste nur noch in der offiziell zweisprachigen Landeshauptstadt Brüssel und einigen Ausnahmegemeinden. In den übrigen 29 Kommunen dürfen die Wähler – auch wenn sie selbst frankophon sind – nur noch flämische Parteien wählen.

Die Flamen hatten dies seit über 50 Jahren gefordert. Nach der letzten Wahl im Juni 2010 hatte der Streit um den Wahlkreis monatelang die belgische Politik gelähmt. Kein anderes Land der Welt war so lange ohne funktionierende Regierung wie Belgien.

Nun scheint diese politische Krise erst einmal vorbei zu sein. Die regierenden Sozialdemokraten sprachen deshalb von einem „historischen und ausgeglichenen Kompromiss“. Die Flamen sehen die Abstimmung als eine Chance für einen Neubeginn des Landes. Als Ausgleich für die Teilung des Wahlkreises haben die Frankophonen ein höheres Budget für die Landeshauptstadt Brüssel erwirkt, die mehrheitlich von Frankophonen bewohnt wird.

Die von Flamen und Frankophonen im vergangenen Oktober beschlossene Staatsreform umfasst noch zahlreiche andere Neuerungen, zum Beispiel die Übertragung von mehr Kompetenzen an die Regionen. Bis zur Sommerpause wollen die Parlamentarier die gesamte Reform unter Dach und Fach haben. Nach der Abstimmung über BHV scheint dies nun machbar.

Einer allerdings fehlte bei der historischen Abstimmung im Senat: Bart de Wever, Chef der flämischen Rechtspopulisten N-VA. Er hatte monatelang für die Teilung des Wahlbezirks gestritten und die Verhandlungen immer wieder blockiert. Er setzt sich nach wie vor für eine Teilung des Landes in Flandern und Wallonien ein.

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3 Kommentare

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  • JE
    Jan Engelstaedter

    @ ıwern:

     

    Der neue Zustand Belgien entsprıicht ın etwa dem deutschen: Eınwohner Bayerns, dıe nach BaWü oder M-V zıehen, dürfen ab da weder CSU noch Bayernpartei waehlen. Sıe müssen sich auf die Parteien beschraenken, die ın BaWü bzw. M-V antreten. Gegen welche Verfassungsbestımmung sollte das versto(sz)en?

     

    Das bisherige Verfahren, wonach einige Bürger beim Umzug in ein anderes Bundesland ihr bisherıges Parteienangebot mitnehmen, ist doch das Verrückte oder Laecherliche: Man stelle sich einfach mal Gleiches für alle auswandernden Schleswig-Holsteiner und den SSW vor.

     

    Übrigens treten auch Grüne oder Sozialdemokraten ın Flandern an, sie sind halt nur nicht so erfolgreich wie ın der Wallonie.

  • I
    iwern

    die frankophonen dürfen also nur noch flämische Nationalisten wählen.Gegen ein bisschen mehr Geld in Brüssel. Repräsentation kann verkauft werden? Gegen irgendwas in den Europäischen Verträgen muss das doch verstoßen, wenn nicht in der belg. Verfassung. Das ist kein Kompromiss, sondern ein Bankrott der Demokratie. Wer klagt? Nebenbei sollte es auch noch Parteien geben, die nicht entlang der unterschiedl. Sprachen organisiert sind? Schade eigentlich das Ganze, und dies in einem Land mit so langer Tradition des Zusammenlebens unterschiedl Sprachen. Da fehlen Politiker die vermitteln und verbinden, vermute ich. Also stinkt der Fisch vom Kopf her? Wenn sich nicht bald die Kurve bekommen sollten sie sich überlegen wie sie mglst unblutig die Trennung hinbekommen. Nationalisten sind die Pest. Das die Flamen früher die Unterdrückten waren kann nach so langer Zeitauch nicht mehr gelten.

  • I
    iwern

    "Kein anderes Land der Welt war so lange ohne funktionierende Regierung wie Belgien."

     

    Wenn man mal Somalia, Kongo etc etc etc beseite lässt.