Staat und Stimmung : Kommentar von Dietmar Bartz
Wachstum! Grundeinkommen! Lohnerhöhungen! Stärkung der Binnennachfrage! Und im Hintergrund kichert die Linkspartei. Was ist denn jetzt los? Erleben wir eine nachweihnachtliche Wohlfühl-Offensive von Regierung und Wirtschaftsforschungsinstituten? Soll eine neue Arbeitnehmerfreundlichkeit verhindern, dass die kommenden Landtagswahlen für die CDU so verheerend ausfallen wie mancherorts befürchtet? Entdecken die Konservativen ihre Wurzeln im rheinischen Kapitalismus neu, nachdem Angela Merkels neoliberale Revolte niedergeschlagen wurde? Soll das alles darüber hinwegtäuschen, dass sich im nächsten Jahr ausgerechnet beim wichtigsten gesellschaftlichen Problem nichts tun wird – der Arbeitslosigkeit?
Wohl von allem ein bisschen. Gemeinsam ist den Botschaften ein „sicherheitspolitisches“ Versprechen: Schlimmer wird’s nicht mehr. Fünfzehn Jahre lang, seit dem kurzen deutsch-deutschen Vereinigungsboom, war hierzulande Arbeits- und Sozialpolitik allein als Kette von Kürzungen, Einschränkungen und Verschärfungen zu erleben. Jetzt ist offenbar wieder etwas zu holen.
Köhler kokettiert mit einer neuen Dimension des Wohlfahrtsstaates, ohne sich groß mit der Finanzierbarkeit aufzuhalten. Glos hat zwar kein Geld, aber eine Idee. Er schielt auf die Privat-, vor allem aber auf die Firmenkonten. Im Unterschied zu den Äußerungen des Bundespräsidenten sind die des Ministers allerdings unmittelbar wirksam. Offiziell an die Arbeitgeber gerichtet, könnten Glos’ Wünsche wohl von den Arbeitnehmern durchgesetzt werden.
Doch Appelle allein führen nicht zu mehr nachhaltigem Wachstum. Die Konjunktur 2006 wird wohl einigermaßen zu laufen beginnen. Von mehr ist nicht die Rede, und insofern sind die Prognosen realistisch. Die Verantwortung für eine bessere Stimmung in der Gesellschaft liegt aber nicht bei den Tarifpartnern oder den Angstsparern, sondern in erster Linie bei der Regierung mit ihrer Steuer-, Sozial- und Rentenpolitik. Diskussionen um eine Grundsicherung in weiter Ferne helfen da nicht weiter. Die Stimmung wird nicht mit der Wachstums-, sondern mit der Arbeitslosenquote gemacht.