Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußball-Fans Wilko Zicht: "Wir haben Werder abgeraten"
Der Bremer Fan-Vertreter Wilko Zicht kritisiert nach der Panik beim Nordderby gegen den HSV die Bremer Polizei ebenso wie die Konzeption des Weserstadions.
Herr Zicht, waren Sie Augenzeuge der Ereignisse im Weserstadion?
Das passierte in einem Bereich, der für Heimzuschauer nicht einsehbar ist.
Was hat die Panik unter den HSV-Fans ausgelöst?
Vermutlich hatten HSV-Fans aus dem Umland Sorge, dass sie im Bremer Hauptbahnhof zwar noch einen Zug nach Hamburg bekommen, aber dort ihre Anschlusszüge nicht mehr kriegen. Darauf muss die Polizei, müssen die szenekundigen Beamten, die im Block stehen, vorbereitet sein. Die müssen klären, dass Züge warten, und dann können sie die Fans beruhigen.
Das ist nicht passiert?
Offenbar nicht.
ist Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußball-Fans (BAFF), Werder-Fan und Betreiber der Website wahlrecht.de.
Es gibt unterschiedliche Darstellungen was die Dauer der Verlängerung der Blocksperre anbelangt. Sie sollte 20 Minuten dauern, HSV-Fans sprechen von mehr als einer halben Stunde Verlängerung, die Bremer Polizei von sieben Minuten.
Vielleicht ist das nicht so wichtig, wichtig ist, dass die Fans informiert werden, wie lange die Verlängerung ist, und dass sie informiert werden, dass sie ihre Züge bekommen. Das ist nicht passiert.
Ein Versäumnis.
Ja. So was passiert nicht nur in Bremen nicht, aber das macht es nicht besser.
Bremens Polizeisprecher Ronald Walther betont, dass "die Gesamtsituation nicht unüberschaubar" gewesen sei.
Wenn Menschen übertrampelt werden kann man nicht bestreiten, dass da was nicht funktioniert hat.
Das Verhältnis der Bremer Polizei zu den HSV-Fans ist schlecht.
Ja. Definitiv. Vor dem letzten Auswärtsspiel des HSV im Weserstadion gab es Versuche der Bremer Polizei, die Situation zu entspannen. Das ist nicht an den Personen der Bremer Polizei gescheitert, die diese Gespräche eingefädelt hatten, sondern an Betonköpfen unter den Einsatzleitern. So hat sich die Bremer Polizei nicht an Absprachen zwischen HSV-Fans und Polizei gehalten.
Zum Beispiel?
Die HSV-Fans wollten, dass die Bremer Polizei auf Polizeihunde verzichtet, weil es immer wieder zu Bissverletzungen gekommen war. Und wer hat die HSV-Fans gleich am Bahngleis im Bahnhof empfangen?
Polizeihunde?
Genau.
Noch mehr?
Ja - der Transport mit Bussen, um einen Marsch durch die Innenstadt zu vermeiden, hat nicht wie vereinbart funktioniert. Nach dem Spiel wurde die Bewegungsfreiheit der HSV-Fans durch einen Kessel der Polizei eingeschränkt. Das hat funktioniert, nur hat die Bremer Polizei nicht verhindert, dass Werder-Fans die eingekesselten HSV-Fans anpöbelten.
Muss man sich nicht wundern, wenn die HSV-Fans kein Vertrauen zur Bremer Polizei haben.
Nee, muss man nicht.
Wie kann man das Verhältnis verbessern?
Der Plan war völlig richtig. Die Bremer Polizei muss auf die HSV-Fans zugehen, einen Konsens finden und sich an Vereinbarungen halten. Nur so kann sie Vertrauen zurück gewinnen.
Der Käfig für Auswärtsfans im Weserstadion ist ein besonderer.
Das ist wohl wahr. Er ist im Oberrang und hat zwei Zäune und zwei Fangnetze. Wenn man Fans wie Tiere behandelt, sinkt die Hemmschwelle, sich wie solche zu benehmen.
Warum ist der Gästeblock im Oberrang?
Wir haben dem SV Werder dringend davon abgeraten, das so zu machen. Der Gästeblock ist so gestaltet, dass Werder, wenn nicht alle Bereiche des Gästeblocks von auswärtigen Fans belegt sind, Plätze an Heimfans verkaufen kann. Wenn man nur wirtschaftliche Überlegungen anstellt, vernachlässigt man leicht die Sicherheit, vom Umgang mit Gästefans und deren Bedürfnissen ganz abgesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz