Spraykunst: Die Botschaften des Sprühlings

Kaum jemand hat das Hamburger Stadtbild so geprägt wie der Sprayer OZ. Jahre saß er dafür im Gefängnis. Jetzt widmet sich erstmals eine Ausstellung dem von OZ geschaffenen Gesamtkunstwerk.

OZ auf einer Hamburger Wand, 1996 Bild: dpa

"Farbe gegen HVV Gewalt", verkündet ein krakeliger Schriftzug auf einer Leinwand. Daneben Gesichter, Kringel, Formen und immer wieder Smileys. OZ lässt sich auch in der Galerie nicht in Rahmen bannen. Neben, zwischen, unter und über den Leinwänden rangeln sich seine farbenfrohen Werke entlang. An einer großen freien Wand prangt die Frage: "Wo ist Schill, der alles wieder Nazi grau macht?" Auch von außen ist die Galerie mit bunten Objekten verziert.

Der Galerist Christoph Tornow sagt, es sei ein Wunder, dass sich bis jetzt niemand in dieser Stadt OZ künstlerisch angenommen habe. Die ersten Graffitis, die "dem Sprühling" zugerechnet werden, tauchten in den den 1980er Jahren auf und waren vor allem Smileys auf Straßenschildern und Stromkästen. Später kam das kryptische Kürzel OZ hinzu, das man auch als Oli lesen könnte. Seit der Jahrtausendwende vermehrten sich größere Bilder: lange bunte Objekte, die aussehen wie Würste. "Ich würde die Bilder jedoch nicht unbedingt als Graffiti bezeichnen", meint Tornow, "denn die Ästhetik ist nicht gerade szenekonform." Es gehe dem Sprühling, wie der Sprayer in der Szene genannt wird, weniger um Selbstdarstellung oder das eigene Ego. "Man kann das Werk des Sprühlings eher als rudimentäre Gesellschaftskritik verstehen."

Tatsächlich fällt beim Betrachten des Gesamtwerkes eine politische Linie auf, die sich auf Brückenpfeilern, Hauswänden und S-Bahnstationen durch das Schaffen des Künstlers zieht: OZ ist gegen Nazis, gegen Werbung, gegen Obrigkeitsdenken, gegen den HVV und vor allem ist OZ gegen graue Wände. Um herauszufinden, wofür OZ steht, muss man schon genauer hinschauen. Und dann sieht man: OZ ist für Natur, für Farbe und für Bambule.

Nun ließen sich die Aussagen, mit denen wir von OZ auf dem Gang durch die Stadt oder bei S-Bahn Fahrten zugedonnert werden, schnell als naiv, vielleicht sogar populistisch abtun - aber man muss sich vor Augen führen, wer diese Aussagen trifft. Wegen "Sachbeschädigung durch Sprayen" saß OZ wiederholt im Gefängnis, kaum war er entlassen, heftete sich eine "Soko Graffiti" auf seine Spuren. Tornow ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich seine Ausstellung mit einem dezentralen Kunstwerk befasst, das sich langsam wachsend über die ganze Stadt erstreckt. Doch der, der dieses Kunstwerk erschaffen hat, hat der Gesellschaft den Rücken zugekehrt - und die Gesellschaft hat ihn verstoßen, ihm ebenfalls den Rücken zugekehrt.

Und so ist auch das Werk zu verstehen: Als ein Blick von außen. Ein feindseliger Blick, wohlgemerkt. "Fuck the Norm" ist ein wiederkehrender Spruch in seinen Bildern. Von Anklagen gegen das System wimmelt es im Werke des Sprühlings nur so. Er empfindet unsere Gesellschaft als grau, von Überwachung und Konformität geprägt. Aber es lässt sich auch erkennen, dass er uns noch nicht aufgegeben hat, dass er immer noch hofft, dass er immer noch mit uns kommunizieren möchte. Die Frage ist, ob wir noch kommunizieren wollen.

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