: Sprache und Werte -betr.: Interview, Kommentar, Artikel zum "Silvesterkampf", taz vom 3.1.94
betr. Interview, Kommentar, Artikel zum „Silvesterkampf“, taz vom 3.1.94
Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen der Bezeichnung Linker als „Zecken“, von Faschisten als „braunen Ratten“ und von Polizisten als „Bullen“? Tagtäglich arbeiten wir in Bremer Schulen gegen die Entmenschung von Einzelnen oder Gruppen an, bemühen uns um die Erlernung und Einhaltung von gewaltfreien Formen der Auseinandersetzung.
Die Repressionsstruktur der Gesetze und oftmals die direkte Intervention der Staatsgewalt verhindern weitgehend, daß sich die Menschen massenhaft die Schädel einschlagen, denn der sogenannte zivile Konsens ist ein ziemlich dünnes Eis. Deutlich sichtbar wird das, wenn massenhaftes Versammeln, Alkohol, Dunkelheit und das Bewußtsein von der Tradition der Randale zusammenfallen.
Und Dirk Asendorpf spielt den Kriegsberichterstatter. „...boten ein Ziel für den nächsten Angriff“...“Leuchtspurmunition, Knaller, Flaschen und Steine“ flogen eben nicht auf die Beamten. Sie wurden abgefeuert oder geworfen. Von Menschen auf Menschen. Mir ist nicht bekannt, daß in Bremen solch staatlicher Terror und Repression ausgeübt werden, die die Methoden der Stadtguerilla (Barrikaden, Straßenkämpfe) legitimieren würden.
Und dann die Tränendrüsengeschichte des 13jährigen und seiner strafanzeigenstellenden Eltern! „Als die Bullen kamen, waren halt alle dagegen, daß die da räumen...Ich habe auch eine Flasche geworfen, aber den Bullen nur vor die Füße...“
Es ist erschreckend, wie das Fehlen jeglichen Schuldbewußtseins sich sogar noch ins Gegenteil wendet und zur Anklage wird. ich warte auf den nächsten Asendorpfschen Artikel über einen brutalen, menschenverachtenden Schläger aus der rechten Szene. Oder auf einen händeringenden Appell zum friedlichen Zusammenleben in dieser Stadt. Hannes Radke
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