Sparzwang bei der ARD: "Wir machen tolles Programm"
Alle reden nur vom Sparen - NDR-Intendant Lutz Marmor nervt das. Er lobt die Qualität der ARD, hütet sich vor Bescheidenheit und will dort reduzieren, wo es am wenigsten bemerkt wird.
![](https://taz.de/picture/297390/14/Marmor.20100915-16.jpg)
Die ARD hat derzeit mal wieder mit sich selbst zu tun: Die Gebührenreform wirft ihre Schatten voraus, die interne Finanzverteilung im Anstaltsverbund zwischen sich verarmt fühlenden kleineren und mittleren Sendern will neu geregelt sein.
20 Millionen Euro will der Senderverbund laut Beschluss der IntendantInnen-Konferenz vom Mittwoch nun weniger fürs Programm ausgeben: Wenn jüngst von der ARD die Rede war, dann meist vom "Sparen".
Lutz Marmor wirkt trotzdem entspannt. Sein Sender gehört nun auch zu den solventeren im Verbund, aber nicht nur deswegen geht dem NDR-Intendanten der momentane ARD-Sound gegen den Strich: "Wir sollten nicht nur von Kürzen und Sparen reden - wir machen tolles Programm", sagt Marmor: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich doch nicht verstecken. Man darf in dieser Diskussion nicht alles nur ökonomisch sehen - und das sage ich als Betriebswirt." Ihn treibt die Sorge, "dass wir vor lauter hin und her rechnen unsere eigentliche Aufgabe aus den Augen verlieren. Die Fernsehprogrammkonferenz fürs Erste, wo es eigentlich inhaltlich um das Programm gehen sollte, wird immer mehr zum Finanzierungsbasar."
Dennoch: Das Geld wird weniger - daran kommt der NDR-Chef nicht vorbei und will es auch gar nicht. "Es wird mit mir kein taktisches Sparen geben. Wir wollen die Kosten dort reduzieren, wo es am wenigsten bemerkt wird und nicht etwa sagen, der NDR macht jetzt fünf ,Tatorte' im Jahr weniger". Mit knapperen Mitteln um jeden Preis pro forma den Gesamtbestand im Programm aufrechtzuerhalten, ist nicht seine Sache: "Natürlich kann man einen Pizzateig immer weiter ausrollen, bis er dünner und dünner wird. Aber ich bevorzuge meine Pizza dann lieber etwas kleiner und dafür ordentlich belegt."
Was ist aber mit den kühnen Prognosen, nach denen den Öffentlich-Rechtlichen ab 2013 mit der Umstellung vom heutigen Gebührenmodell auf eine Haushalts- bzw. Wohnungsabgabe vielleicht kein Geldsegen ins Haus stünde, aber zumindest wieder mehr in die Kassen fließt? "Keiner weiß derzeit, was herauskommt und wer recht hat. Wir können froh sein, wenn es gelingt, das derzeitige Minus bei den Gebühreneinnahmen auszugleichen. Aber das wäre der Preis für eine langfristige, sinnvolle Umstellung der Rundfunkgebühren." Deswegen zeigt der NDR-Chef auch flehentlichen Avancen der Politik die kalte Schulter. Die sähe es gern, wenn sich die Sender bei der nächsten Gebührenrunde bescheiden zeigen würden. "Es wird bei der Gebührenanmeldung keine Nullrunde geben können", sagt dagegen Marmor: "Ich halte einen Inflationsausgleich für eine legitime Forderung, die die zuständige unabhängige Gebührenkommission KEF überprüfen wird."
Genauso allergisch reagiert der NDR-Chef auf Überlegungen aus der Medienpolitik, langfristig auch private Sender für bestimmte Programmangebote, etwa Nachrichten, an den Rundfunkgebühren zu beteiligen. Das halte er "für völlig abwegig, auch wenn es um die Finanzierung von Nachrichtensendungen geht", so Marmor: "Entweder versteht man sich als Vollprogramm und sagt, wir brauchen Nachrichten - oder eben nicht. Ich halte daher auch eine dauerhafte Verpflichtung für die Privaten, Nachrichten machen zu müssen, für überholt, solange es bei ARD und ZDF ein qualitativ hochwertiges Nachrichtenangebot gibt."
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