: Spaniens Speiseölskandal erneut vor Gericht
■ Der Nationale Gerichtshof untersucht die Schlampigkeit der Behörden
Madrid (taz) – Seit gestern können die Opfer des spanischen Speiseölskandals wieder auf eine Entschädigung hoffen. Sieben hohe ehemalige Regierungsbeamte stehen vor dem Nationalen Gerichtshof – der Audiencia Nacional. Ihre „Fahrlässigkeit bei der Überprüfung der Speiseölfirmen“ sollen für die Massenvergiftung durch gepanschtes Rapsöl mit 1.200 Toten und 25.000 Erkrankten – 4.000 davon schwer – verantwortlich sein. Die Opfer fordern insgesamt sechs Milliarden Mark Entschädigung.
Das Drama begann am 1. Mai 1981. Der Tod des achtjährigen Jaime Vaquero in Torrejón bei Madrid, war der Auftakt einer regelrechten Epidemie. Die Ärzte waren ratlos. Vom „kleinen, irgendwelche Keime übertragenden Insekt“ des Gesundheitsministers Sancho Rof, über die vergifteten Tomaten der Lokalpresse, bis zu gewagten Spekulationen über einen Unfall mit biologischen Kampfstoffen auf dem Flughafen der US-Armee bei Madrid reichten die Gerüchte.
Doch verantwortlich war billiges Rapsöl. Eigentlich zur industriellen Nutzung gedacht, war es mit Anilinen versetzt worden, um ihm so Farbe und Geschmack zu verleihen. Das Öl war vor allem in den armen Vororten Madrids verkauft worden, wo es reißenden Absatz fand. Bis heute haben die Opfer nicht eine einzige Pesete Entschädigung kassiert. Zwar waren 37 Ölpanscher in zwei Gerichtsverfahren 1989 und 1992 zu erheblichen Haftstrafen und Entschädigungszahlungen verurteilt worden, konnten sich aber mit einem Offenbarungseid aus der Verantwortung stehlen.
Auf der Anklagebank sitzen nun hohe Beamte aus dem Landwirtschafts- und Ernährungsministerium. Sie sollen ihre Kontrollfunktion bei der Einfuhr des fraglichen Öles durch die Firma RAPSA in San Sebastián sträflich vernachlässigt haben. Roberto Conty Larraz, Subdirektor für Ernährung, verlieh dem eingeführten Öl gar eigenhändig das Siegel: „Für den menschlichen Verzehr geeignet.“
Dem ehemaligen Chef des Zoll- labors, Miguel Hernández Bolaños, machen die Anwälte der Opfer besonders schwere Vorwürfe. Er soll die Panscher überhaupt erst auf die Idee gebracht haben. In einem Gutachten aus dem Jahr 1973 wertete er den Einsatz von Anilinen zur Denaturalisierung des schweren Rapsöles als „grundsätzlich unbedenklich“.
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