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■ SpätleseFortsetzung I

Was Collins selbst betrifft, so ist die deutsche Literatur nicht eben reich an Beschäftigung mit demselben; eine Ausnahme macht hier, wie so oft gerade bei den niederen Literaten, Arno Schmidt (dem es sicher leichter fiel, auf verstorbene Unterschätzte lebendig und kollegial hinzuweisen, als mit saurer Miene Gleichwertige und gar Konkurrenten gelten zu lassen), der in seinem Dickens-Collins-Essay „Der Titel aller Titel“ die Beziehung derselben und ihre Werke rühmt und so nebenbei der deutschen Nazione diverse Male in die Rippen sticht. So wird ebenda ein Lord Campbell erwähnt, der anläßlich einer privaten Theateraufführung im Hause Dickens (bei welcher der Gastgeber den Bühnenbildner und Dramaturgen gab und das Melodram von Collins beigesteuert wurde) einen Trinkspruch machte des Sinnes, „daß es, nehmt nur Alles in Allem, eben doch mehr sei, ,Pickwick‘ geschrieben zu haben, als ein 'Premier‘ zu sein.“ (Derselbe Premier soll auch, Schmidts zweitem Collins-Essay „Conte Fosco“ zufolge, diverse Unterhaussitzungen ob der Lektüre der „Frau in Weiß“ verpaßt haben.) Und man erfährt Einzelheiten – wie daß Collins' Short Stories den jungen Joyce zu seiner ersten, nicht überlieferten Novellensammlung anregten –, die übrigens überraschender sind als die Schmidt-Übersetzung einzelner Passagen der „Frau in Weiß“: Die Abweichungen zur oben erwähnten Neuübersetzung sind gering, manchmal auch geringer Art. Am schönsten hier, wie in der Vorlage, die Seitenbisse: zum Beispiel „so Inbonn & Umbonn & Umbonnherum“, wo namhafte literarische Buchhandlungen „sich zu beteuern bemüßigt fühlten : das Buch hätte sich noch besser verkauft, wenn dem Verlag nicht der unbegreifliche Schnitzer unterlaufen wäre, es eben nicht die ,Dame in Weiß‘ zu taufen“... Ergibt sich nebenbei als Grundstück einer Theorie dieser literarischen Gattung „der Satz : Im Victorianischen Roman sind die Neben-Figuren immer die Haupt-Figuren.“ Dies weil (was für die „Frau in Weiß“ durchaus zutrifft) dort die ProtagonistInnen immer Lämmchen sein müssen, weiß und unberührt wie Schnee, während Charakter (Unwägbarkeiten, böse Gedanken oder gar Taten) allein bei jenen Menschen zu finden ist, welche die unbewegten Lämmer durch die Welt und beinahe unters Messer treiben. Ein viktorianischer Roman allein mit Hauptfiguren ist also, streng genommen, gar nicht möglich. Die „Frau in Weiß“ hat derer, Collins sei Dank, nur zwei.

Arno Schmidt: „Der Titel aller Titel“ in „Der Triton mit dem Sonnenschirm“, S. Fischer Verlag, oder auch (mit dem kleineren Collins-Aufsatz „Enter Conte Fosco“, ursprünglich „Wilkie Collins ist mitnichten tot“) bei Haffmanns in:

„Sämtliche Nachtprogramme und Aufsätze“, Bd.2

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