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Spätfolge - betr.: "Einiges im Argen", taz vom 28.11.1996 und "Empfehlung", taz vom 12.12.1996

Trotz seiner Rechenspielereien (Rassenkunde nur 1,5 Prozent des Lehrangebotes) kann Herr Knußmann nicht leugnen, daß die von uns kritisierten biologistischen und rassistischen Inhalte Pflichtbestandteile des Curriculums sind. Es wird am Institut für Humanbiologie sehr wohl von körperlichen Merkmalen auf geistige Fähigkeiten und psychische Eigenschaften geschlossen: Zum Beispiel behauptet Knußmann in der gerade erschienenen Neuauflage seines Lehrbuchs „Vergleichende Biologie des Menschen“, daß Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent erblich sei und schreibt den menschlichen „Rassen“ zumindest Unterschiede in einzelnen „Begabungsbereichen“ zu. Auch Kriminalität wird von ihm in berüchtigter „kriminalbiologischer“ Tradition mit Erbanlagen und körperlichen Merkmalen (fliehende Stirn) in Verbindung gebracht; ebenso der soziale Status eines Menschen, der angeblich mit Körpergröße und Intelligenz korrelieren soll. Er nimmt fragwürdige Unterscheidungen in „primitivere“ und „progressivere“ „Rassen“ vor.

Ferner behauptet er, Frauen stünden körperlich und psychisch Kindern näher als Männer, weshalb ihr mathematisch-logisches Denken weniger ausgeprägt sei. „Deviantes“ Sexualverhalten wie Homosexualität habe zum Untergang antiker Zivilisationen („Völkertod“) beigetragen. Besonders zynisch ist seine These, die jahrhundertelange Verfolgung der Juden habe eine „Selektion auf optimale Leistung“ und somit die „Heranzüchtung einer jüdischen Elite“ herbeigeführt. Knußmann distanziert sich zwar von der NS-„Rassenhygiene“, befürwortet aber genetische Manipulationen zur Verbesserung des „Gen-Pools“ der Bevölkerung, was nichts anderes als eine moderne Form von Eugenik („Erbgesundheitslehre“) darstellt.

Eine Spätfolge des NS-Regimes ist bereits die Existenz von Knußmanns Lehrstuhl. Dieser wurde bis 1933 von dem liberalen jüdischen Philosophen Ernst Cassirer eingenommen, mit welchem sich die Universität heute gerne schmückt. Cassirer wurde von den Nazis vertrieben und die Stelle in einen Lehrstuhl für Rassenbiologie umgewandelt. 1945 erfolgte die Umbenennung in „Anthropologie“, 1996 in „Institut für Rassenkunde, Soziobiologie und Eugenik“ (durch die AG gegen „Rassenkunde“, d. Red.). Für 1997 erwarten wir die Ersetzung durch den interdisziplinären „Arbeitsbereich Kritische Biologie“. Johann Knigge, AG gegen „Rassenkunde“

Betr.: „Unistreik“, taz hh vom 12.12.96

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