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■ SoundcheckSongs: Ohla

Morgen abend: Songs: Ohia. Der Mann singt im guten alten Country-Idiom: „How To Be A Perfect Man“ oder „Goodnight Lover“ lauten die Titel, die Jason Molina auf Axxess & Ace singt, dem letzten Album seines Ensembles Songs: Ohia. In die Schule ist er quasi bei Will „Palace“ Oldham gegangen, auf dessen eigenem Label er auch seine erste Veröffentlichung plazierte. Inzwischen hat Molina zu einer ganz eigenen Stimme gefunden, in der der zurückgenommene Klassizismus der Palace Brothers auf den emphatischen Vortrag der Mountain Goats trifft. Wer das Wochenende andächtig ausklingen lassen will, findet sich am späten Sonntag abend in der Schilleroper ein, wo Molina samt Band gastiert. cbu

22 Uhr, Schilleroper

aum hörbar bricht der blau-weiß-gestreifte Liegestuhl meines Nachbarn im Zuschauerraum zusammen. Zu weiches Holz, zu schwere Knochen. Ähnlich sanft bekommt auch die Südseeidylle auf Kampnagel ihren Knacks ab. Dem hochglanzpolierten Mythos von Hawaii mit Dauersonnenschein und Easy Living am Strand verpaßt die Theatergruppe lillies laboratory in ihrer Choreographie Greetings from Paradise viele zarte Risse, ohne die Politur wirklich anzukratzen.

Mit allzu sanfter Ironie persiflieren die vier Tänzerinnen Wiebke Brinkmann, Barbara Duchow, Dorothea Tatzel und Marianne Rouvier-Angeli Phantasiebilder über die Südseeromantik. Jochen Roller und Janine Schulze sind bei ihrer Choreographie im Rahmen der Junge Hunde wohl selbst dem Zauber vom Südeseeleben erlegen. Wasserskifahren in eingefrorenen Posen und Rekeln auf dem Strandlaken vor strahlend blauer Leinwandkulisse: Das sieht alles recht hübsch aus, stellt die Idylle aber kaum in Frage. Ein paar abrupte Hüftschwünge im Baströckchen und ausziehbare Plastik-Palmen – solche Irritationen bleiben auf der Ebene harmloser Gags. Erst wenn eine fiktive Urlauberin ihre zahlreichen Quittungen vom kostspieligen Sundowner-Cocktail bis zum gemieteten Pfarrer für die Blumenhochzeit vorliest, während die anderen sich dekorativ in Hula-Hoop-Reifen schlängeln, wird die Allianz von Kommerz und Klischee wirklich sichtbar gemacht.

Wunderbar auch die Ausschnitte aus kitschigen Hollywoodfilmen der frühen sechziger Jahre. Ein strahlender Sunnyboy Elvis Presley mit Blumenkette inmitten von stets lächelnden Südseeinsulanerinnen ist für sich schon komisch genug. Nur einmal beweisen die vier geschmeidig-grazilen Tänzerinnen selbst Mut zum Lächerlichen, wenn sie im gräßlichen Touristenoutfit mit Topfhut und kurzen Shorts unbeholfen die pseudoexotischen Tänze auf der Leinwand nachahmen. Das ist gelebter Mythos.

noch heute abend, Kampnagel

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