Sommerfest des Bundespräsidenten: Fest in Sponsorenhand
Wenn der Bundespräsident ins Schloss Bellevue einlädt, nützt das nicht nur dem Hausherrn. Auch Unternehmen zahlen gern, um sich dort präsentieren zu dürfen.
BERLIN taz | Christian Wulff wird es an diesem Abend nicht schaffen. Wenn Horst Köhler im großen Garten des Schlosses Bellevue zum Sommerfest eingeladen hatte, dann ist er immer an den Ständen aller Sponsoren vorbeiflaniert, hat geplaudert, mit den Leuten vom Stromkonzern Vattenfall, von der Sparkassen-Finanzgruppe oder dem zweitgrößten Lebensmittelhändler der Republik, Rewe. Der neue Bundespräsident nicht, er kommt an diesem Tag nur in Trippelschritten voran, umringt von Fotografen. Das finden die Sponsoren "schade", sagt eine Rewe-Frau. Sie wollten präsentieren, dass sie sich engagieren für die Zivilgesellschaft, für Schulobst, Straßenfußball und Gesundheit. Und, nun ja, an diesem Abend redet darüber niemand gern, aber: Die Firmen schmeißen hier die Party.
Freitagabend, strahlend blauer Himmel, traditionelles Sommerfest des Bundespräsidenten. Laut Programmheft ist es ein "Dankeschön" für das "Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger" - 5.000 Gäste sind gekommen. Gefühlt jeder zweite ist einer dieser Prominenten, die kaum ein gesellschaftliches Event auslassen, wie Boxer Axel Schulz, Fernsehmoderator Johannes B. Kerner, Modedesignerin Jette Joop oder Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Stardirigent Kurt Masur lässt das Bundesjugendorchester Tschaikowskys Streicherserenade spielen. Irgendwann singt Peter Maffay live "Über sieben Brücken musst du gehn". Und als es schon spät ist und die Sonne untergegangen, erstrahlt ein Feuerwerk von 550 Raketen über dem Schloss.
"Eine schönere Art der Amtseinführung als so ein fröhliches Sommerfest kann man sich nicht vorstellen", sagt Christian Wulff, als er seine Gäste um kurz nach 19 Uhr begrüßt. Es ist der erste Tag in seinem neuen Amt, er hat eine, so sagt er, "nicht wenig anstrengende Woche" hinter sich. Es ist jetzt seine Party, auch wenn bei der Einlasskontrolle auf den meisten Karten noch zu lesen ist: "Der Bundespräsident und Frau Eva Luise Köhler bitten …" Der Großteil der Einladungen wurde schon Anfang Mai verschickt, vor dem Rücktritt Köhlers. Die Mitarbeiter des Bundespräsidialamts bereiten das Fest seit Wochen vor, sie haben sich dafür das Motto "Freude - Veränderung - Zusammenhalt, 20 Jahre Deutsche Einheit" ausgedacht.
Viel mitreden konnte der neue Amtsinhaber nicht. Die 4.000 blauen Regenschirme mit dem Aufdruck bundespraesident.de haben ihn noch beschäftigt. Diese werden für die Gäste immer bereitgestellt, die letzten Sommerfeste waren verregnet. Doch an diesem Tag ist keine Wolke zu sehen, er habe ein "unüberbrückbares Problem" gesehen, sagt er, das dann aber gelöst worden sei: "Wenn es bis halb elf nicht geregnet haben sollte, werden die Schirme zum Ausgang gebracht." Ein Andenken für die Gäste. Wulff sagt: "Man kann so viel Gutes tun für unser Land." Ein wenig Ironie ist dabei, man weiß aber nicht genau, wie viel. Wulff hält keine große, gestenreiche, inhaltsschwere Rede, auch keine witzige. Er hat nichts Besonderes an diesem Abend. Seine Bettina plaudert mit "Tagesschau"-Chefsprecher Jan Hofer auf der Bühne darüber, dass man im Schloss Bellevue seit Langem nicht mehr wohnen kann - "Sie können uns wohnungssuchend nennen". Die beiden geben sich normal, bürgernah.
Wulff gibt sich darüber hinaus an diesem Abend im Schloss Bellevue auch wirtschaftsnah: "Mein Dank gilt den Sponsoren", sagt er, "aus innerer Überzeugung". Und weiter: "Wir dürfen das nicht vom Geld des Steuerzahlers machen." "Das" - damit meint er das Fest, die Musik, nicht zu vergessen: die glamouröse Fressmeile. 12.000 teils handgefertigte Pralinen, die in großen Kühlschränken vor der Sonne geschützt werden (Gubor Schokoladen), die "Kalbsbäckchen auf Erdbeerjus mit Meerrettich und Kartoffelschnee", die das Hotel Adlon serviert, das "Ochsenbrot mit Erdapfelkas und Schnittlauch" von Sarah Wiener. Obendrein die 2.500 Liter Getränke, Bionade, Wein, Bier.
Muss das Essen so reichhaltig sein? Lässt sich das Fest nicht abspecken? Kann einer, der den Staat neutral repräsentieren soll, seine Gäste tatsächlich nicht selbst bewirten? Wulff ist nicht der erste Bundespräsident, der zum Sponsoring des Sommerfests keine Alternative sieht. Es ist seit Jahren üblich, und zwar parteiübergreifend. Lange Zeit regte sich darüber kaum jemand auf, in diesem Jahr aber ist das anders. Spätestens seit der Affäre in Nordrhein-Westfalen, wo Unternehmen gegen Geld exklusive Gespräche mit dem Ministerpräsidenten, Wulffs Parteikollegen Jürgen Rüttgers, führen durften, wird über Sponsoring öffentlich gezankt.
Auch über die Geldgeber des Sommerfests im Schloss Bellevue gab es in diesem Jahr Streit. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte scharf kritisiert, dass der BP-Konzern zu den Finanziers gehört. Er fand das angesichts der Katastrophe im Golf von Mexiko geschmacklos und meinte, er würde sich "schämen", von "BP bewirtet zu werden". BP zog sich daraufhin zurück, verzichtete auf seine Präsentation bei dem Fest, die Mitarbeiter mussten zu Hause bleiben. Die vereinbarten 75.000 Euro hat der Konzern allerdings trotzdem gezahlt. Die von ihm vorgeschlagenen Gäste wurden auch nicht wieder ausgeladen - darunter Geschäftspartner und Journalisten wie die Autoren dieses Artikels. Hauptstadtjournalisten können allerdings so oder so am Fest teilnehmen. Sigmar Gabriel erschien übrigens nicht zum Fest, er hatte andere Termine. Wulff ficht die Debatte offenbar nicht an.
Das Sommerfest hat 1,8 Millionen Euro gekostet. Neben BP haben die Kosten weitgehend neun sogenannte Partner übernommen. Das sind der Stromkonzern Vattenfall, der Automobilproduzent Daimler, die Telekom. Dazu kommen Rewe, die Sparkasse, die Post und die AOK-Krankenkasse sowie der Windkraftanlagenhersteller Repower. Sie alle haben dem Vernehmen nach jeweils um die 75.000 Euro gezahlt, sie alle haben in gleich großen weißen Pavillons im Präsidentengarten ihr "gesellschaftliches Engagement" präsentieren dürfen. Und jeder von ihnen durfte etwa 50 Gäste vorschlagen.
Zehn weitere Unternehmen und Lobbyverbände haben Geld gezahlt, weniger allerdings als die Partner. Sie werden Förderer und Kooperationspartner genannt und bekamen weniger Karten und kleinere Stände. Dazu gehören etwa Air Berlin, die Drogeriemarktkette dm und der Elektrokonzern Philips, aber auch die neoliberale Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der Verband der forschenden Pharmaunternehmen. Pralinen und so weiter transportieren die Gubors und ihre Kollegen aus der Lebensmittelbranche kostenlos heran, es geht ihnen nur darum, ihre Marke zu platzieren.
Denn "das lohnt sich", sagt eine Mitarbeiterin am vor Süßem überbordenden Gubor-Stand - "es bringt Kontakte und Werbung". Gubor sei mal aus den Läden verschwunden gewesen. Das war im Jahre 2008 und hatte mit einem Eigentümerwechsel zu tun. Nun seien die Pralinen "nach alten Originalrezepten" wieder da. Das wird sie an diesem Abend noch oft erzählen, viele Gäste tragen drei, vier, fünf Pralinen auf weißen Porzellanschälchen vom Stand weg.
Das neue Staatsoberhaupt gibt sich den ganzen Abend lang als der nette Mann von nebenan. Christian Wilhelm Walter Wulff gibt bereitwillig Autogramme ("Wie heißt denn du? Alexander, hast du auch noch einen zweiten Namen? Nein? Das braucht man auch bei so einem langen Namen nicht"), schüttelt jede angebotene Hand ("Ach, Sie kommen aus Bielefeld?") und lässt sich ohne Scheu fotografieren, nicht nur mit seiner Frau, sondern auch mit dem gemeinsamen zweijährigen Sohn Linus.
Man ahnt, warum das Sommerfest dem Präsidenten wie der Wirtschaft lieb und teuer ist. Es ist eine perfekte Verkaufsshow - für alle Beteiligten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag