■ So sindse: Die Unsrigen
Gern, laut, vollmundig und energisch singt der Nationalspieler die Nationalhymne, voller Stolz auf den brüsternen Adler: „Es ist immer etwas Besonderes, für Deutschland zu spielen.“ Am 6. Juni, 50. Jahrestag des D-Day, startete die deutsche WM-Delegation ins Trainingslager nach Nordamerika. Vorher ließen sie sich beim Frisör die Haare so kurz scheren, daß sie dpa vorkamen, „als zögen sie ins Manöver“. Go for the cup.
Der deutsche Nationalspieler ist gemeinhin volljähriger Millionär, wird aber Bertibub genannt – wegen Berti V., des väterlichen Vorturners und Kohl-Kumpels. Gern hat der N. einen individuellen Spitznamen. Dieser ist kurz (Klinsi, Icke, Effe), damit er auch im Großdruck überschriftenkompatibel ist. Die Hauptaufgabe des N. gilt dem Balltritt, respektive dem respektlosen Gegnertritt. Der N. singt auch Fröhliches („Ich faahr a way nach Amerika“) und kann sogar sprechen. Seine Redebeiträge beginnen immer mit „Ja, gut ...“ Alles weitere dementiert er später gern wieder: Ja, gut ... Die Journalisten hätten alles erfunden. Gemein!
Bösmeinende halten den N. für dumm (Häßler), sehr dumm (Möller), saudumm (Brehme) oder gleich für ein Dumdum (Effenberg). Was unfair ist und nicht für den Lothar Matthäus gilt. Der ist Kapitän und Vorbild und Sprachwunder (spielte neulich gegen „Irländer“) und ein so guter Deutscher, daß er sogar Ausländer (als Gegner) akzeptiert. Das gilt nicht für Holländer, denen geigt er die Meinung: „Dich hat wohl der Adolf zu vergasen vergessen.“
Die Nächtigungsfrage des N. wird stets modifiziert. Er könnte sich jede Luxushotelsuite leisten, wohnt aber, wenn unterwegs, meist mit einem Kameraden in ehebettbestückten Doppelzimmern (gegenseitige Manndeckung als Handhabe gegen Handanlegen). Spielergattinnen sind daselbst tabu. Dieses Jahr dürfen die N.-Frauen in der gleichen Stadt in einem anderen Hotel wohnen. Dorthin darf der N. spielplangemäß zweimal die Woche (nach dem Spiel, vor dem Spiel). Diese liberale Regelung kritisierte jetzt die undankbare Bianca Illgner: kindergartenös! Präsident „Edi“ Braun sieht das alles aus höherer Warte. Aus seiner Begrüßungsrede in der neuen Fußballwelt: „Mit der englischen Sprache ist es wie mit meiner Frau: Ich liebe sie, habe sie aber nicht immer unter Kontrolle.“
Und weil sie alle so sind, wie sie sind, „die Unsrigen“ (Fußballfan Joschka Fischer), werden sie von allen geliebt. Deutschland vor! -mülli- (Fan)
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